Lila – II
Das Hip Hop Game ist hart. Um die Härte so wenig wie möglich zu spüren bzw.sich gar nicht erst mit anderen Bands und Künstlern zu messen, versuchen sich viele als emanzipierte Freigeister oder als Meister der Genrekreuzung. Das Rad der Zeit dreht sich heute eben etwas schneller und wer nicht mitkommt und mit Talent oder sonstiger Sonderbarkeit auf sich aufmerksam macht, bleibt auf der Strecke und verschwindet irgendwann ganz vom Radar.
Um sich mit dem Müllschlucker, der die Schnellebigkeit der Musikwelt repräsentiert, nicht zu befassen, hat sich die Gruppe Lila aus Durham, North Carolina, einfallen lassen Acoustic Folk und Alternative Hip Hop zusammenzubringen. Organische Sounds, die voller Aufregung und Fantasie überschäumen, mit einem Schuss Dramaturgie und textlich feingestrickte Oberlehrerpoesie aus dem Schlaraffenlandteil Amerikas. So kann man sich das vorstellen, die Wahrheit hört sich etwas anders an. Erstens sind die organischen Sounds sehr geordnet und brav, zweitens gibt es keine Oberlehrer- und Moralpolizistenlyrics und drittens gehört Durham alles andere als zu den reichsten Städten der Vereinigten Staaten.
Lila sind ein Duo und besteht aus den Mitgliedern Jon Le Sueur, dem Beatlieferanten und Sänger, und Eli McDuffie, dem Mann für die Flows. Ihre Musik zeichnet sich durch eine Reinlichkeit aus, die aus der homogenen Zusammenführung verschiedener Instrumente entsteht und ihre natürliche Persönlichkeit wiedergibt. Im ersten Track “Avalanche”, wenn Gitarrenakkorde und Xylophonschläge eine Art transparente, willkommene Ebene für den MC Eli bilden, beeindruckt das Lied trotz der eigentlich schlechten Raps. Lila sind eine wahrhaftige Lawine, die mit Offenherzigkeit, Mut und Unbeugsamkeit losrollt. Weder wird der gefährliche Schneerutsch auf dem mit kongenialer Gitarrentonfolge versehenen “Neo Soul” noch auf dem nicht weniger ideenreichen “Oh No, Control”, wo Akustikgitarre und E-Bass aufeinander treffen und sich “Gute Nacht!” sagen, aufgehalten.
Wahrscheinlich ist das sehr kitschige “One More Song” wie der Titel es andeutet wirklich nur als Zugabe gemeint, da es streng genommen nicht viel mit dem Sound der vorherigen 10 Tracks zu tun hat. Genauso verzichten kann der Konsument auf “Girls With Glasses”, wo man zwar nicht mit genüsslich treibenden Drums sparte, aber zu allem Überfluss auch nich mit unnötigem Autotune-Braintöter. Wenn der Sommer vorbeizieht und der warme Herbst eintrifft, entfaltet das Album wohl seine ganze Energie. Dann, wenn die belebte Natur sich ums uns farblich verändert, spendet “II” trostreiche und prachvolle Momente, die einer unebenen Schönheit unterliegen. “Out With A Bang” oder “Mother Earth” mit der kanadischen Gruppe Isosceles gehören zu den erhabensten Augenblicken und verzaubern Ohren und Gedanken mit den feinen Melodien genreübergreifender, aber immer noch regelkonformer Kunst.
Mag sein, dass nicht jeder Rappart perfekt sitzt und nicht jede Produktion herausragend klingt. Die Jungs haben dennoch ein Potenzial gezeigt, das sich hören lassen kann. Sie sind dem Standard aus dem Weg gegangen, weil sie wussten: Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom.
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