Ill City Entertainment – 20 Years Of Illness: 1993 – 2013 (Volume One)
Bevor es um die Musik geht, müssen an dieser Stelle ein paar Takte zum Geschäftsgebaren von Ill City Entertainment gesagt werden. Im Februar 2013 kündigt Labelgründer Glenn “DJ Paradise” Pinkney auf seinem youtube-Channel erstmals ein Jubiläumsrelease mit bislang unveröffentlichten Material an. Zu diesem Zeitpunkt ist sogar von einem “multi cd set” die Rede. Kontakt aufgenommen, Antwort erhalten: im Sommer soll es soweit sein. Im Juli erfolgt die Mitteilung, dass sich die Auslieferung noch verzögert, weil es angeblich Probleme mit dem Distributor gibt. Kein Problem, denkt man sich, Hauptsache es kommt. Im November liegt die Scheibe dann vor. Eine CD-R. Im Slim Case. Von Hand bekritzelt. Ohne Artwork. Letzteres wird per E-Mail (!) geliefert. Zwei JPEGs in völlig unbrauchbarem Format, dazu der Tipp “when your cd’s arrive, print it & insert into cd jewel case.” Kostenpunkt für den kleinen Bastelspaß: knapp 40$ inklusive Versand. Das von Derartigem im Vorfeld nie die Rede war, muss an dieser Stelle nicht erwähnt werden. In diesem Sinne – danke für nichts.
Umso ärgerlicher, weil dieses Best-of einen professionellen Vertrieb eigentlich mehr als verdient hätte. Die Hauptattraktion des Labels sind natürlich The Cutthroats, die mit “Stop Lookin’ At Me” auf dem “Menace II Society” Soundtrack 1993 kurzzeitig sogar nationale Bekanntheit erreichten. Danach geht es für Ill Q Nitty, 2 Face und Sexy 17 nur noch steil bergab: die Verträge bei Jive und Sony/Columbia platzen, das geplante Album “Incite II Riot” wird nie veröffentlicht. Ohne zu übertreiben: wenn’s geklappt hätte, wäre das Ding vermutlich ähnlich groß geworden wie “Bacdafucup”. Das legen zumindest Songs wie das krawallschlagende “Whoz Next?” oder die düstere Cop-Killer-Walze “Disciplinary Action” nahe. Ganz zu schweigen von “Trespass & Get Bust!”, zu dem man seinerzeit sogar ein dreckiges kleines Underground-Video eingespielt hat.
Auch sonst ist der von DJ Paradise produzierte Ill City Sound besser als vieles, was momentan an verlorengegangenem 90er-Material so alles aus der Versenkung geholt wird. Beispiel: Mental Illness. Die Tracks ihrer Promo-Single “Noiz / Amazin’s Not Playin'” (1994) haben es zwar nicht auf’s Album geschafft. Dafür bekommt man hier ungehörtes Material, von dem besonders das knochenharte “Rippa Motha Down” und der von schweren Klavierklängen dominierte Storytrack “Theme” bleibenden Eindruck hinterlassen. Ähnlich brutal, wenn auch nicht ganz so imposant: die Bleek Bleek Boyz aus East New York, die in “The Man” und “Inna Heartbeat” die Abrissbirne gewaltig einschlagen lassen. Auch Radauschachtel Rebel Queen Mecca lässt sich nicht lumpen und spielt in “Who Wanna Battle?” in Sachen Härte locker auf einem Level mit Damen wie Heather B. Der vergleichsweise unscheinbare Def Ro, im Jahr 1992 das erste Ill City Signing überhaupt, bringt das ungeschriebene Labelmotto treffend auf den Punkt: “Shit Starts Getting Wild”!
Alles in allem ist “20 Years Of Illness” also eine ziemlich zwiespältige Angelegenheit. Einerseits taucht ähnlich hörenswerter, liegengebliebener New York Sound nicht alle Tage auf. Andererseits ist und bleibt die Art der Verfügbarmachung natürlich Abzocke der schäbigsten Art. Sollte man im Hinterkopf haben, bevor man Mr. Pinkneys Bauernfängereien noch weiter finanziell unterstützt…
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