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Enter The Legend Music – Presents: The First Artifact

 

Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, liegt Knoxville, Tennessee seit jeher im langen Schatten der benachbarten Rapmetropole Nashville – um nicht zu sagen komplett unter der Wahrnehmungsschwelle. Wer sich in die lokale Szene etwas eingräbt, wird trotzdem auf etliche interessante Alben stoßen. Und relativ schnell auch auf den altgedientesten und wichtigsten Producer der Stadt: Life Source aka King Kut. Der Mann hat seit den 80ern so ungefähr für halb Knoxville produziert und mit der Zeit natürlich auch Unmengen an nie veröffentlichem Material angehäuft. Womit wir bei “The First Artifact” wären, für das King Kut und sein ehemaliger Labelpartner Grindtime Ike ihre Archive geplündert und bislang ungehörte Songs aus den Jahren 1994-2003 auf eine limitierte CD gepackt haben.

1. Remember My Song: Los geht’s mit 5ive Ft. Giant, einem der prominentesten Street Rapper der Stadt, den man vor allem für seine Bombe “Don’t Shoot Me” mit Flesh-N-Bone (Video) noch in bester Erinnerung hat. Dieser Track ist kurz vor den Aufnahmen zu seinem 2001er-Album “Small Thangz To A Giant” enstanden und lässt es eher ruhig angehen. Smooth rollt der Beat, melancholisch sind die Texte, stark ist das Feature von Rodney Jones im zweiten Part. Das “Deliver The Word”-Sample von War kennt man aus “Betrayal” von Gangstarr und Scarface und stimmungstechnisch ist das hier genau auf dem gleichen Dampfer unterwegs.

2. Couple N-ggaz From The Eastside: “D” The Dark Horse ist dem ein oder anderen vielleicht durch seinen Gastauftritt auf Shafiyqs “Da Big Apple 2 Da Big Orange” (1997) ein Begriff. Ein eigenes Album hat der Mann mit dem, räusperräuser, wenig vorteilhaften Künstlernamen nie veröffentlicht. Wenn man nach diesem staubtrocken servierten Hardcore Track aus dem Jahr 1994 geht, wäre das im Zweifelsfall aber vermutlich eine ganz interessante Angelegenheit geworden. Der Oldschool-Flow? Gehört schon so.

3. Headed 4 Da Liquor Sto: Wir bleiben für einen weiteren Track im Jahr 1994. Bei dieser Zweieinhalbminuten-Hymne für alle ’40 ounce guzzler’ kommen vor allem die Puristen auf ihre Kosten. Die Bassline schiebt schön nach vorne, auch Krush D. flowt gut was weg und gefällt mir noch einen Tick besser als D Das Dunkle Pferd gerade. Auch von ihm gibt es nur unveröffentlichte Einzeltracks, kein eigenes Album. Solide umgesetzte Nummer hier, keine Frage, wobei das soundlich so aber auch direkt aus New York kommen könnte. Der südstaatenspezifische Sound ist offenbar auch bei Life Source erst mit der Zeit herangereift…

4. V Street Assassins: … aber allzu lange hat es nicht gedauert und dieser nur zwei Jahre später entstandene Track ist der beste Beweis dafür. Sehr mellow und atmosphärisch gehaltene Produktion diesmal, was perfekt zu den schnellen, melodischen Raps von Bug und Skwirl passt, die von ihren Gangstermoves in der Virginia Street im Westen der Stadt erzählen und dem Songtitel damit alle Ehre machen. Wer mit Südstaaten G-Rap aus den 90ern auch nur halbwegs was anfangen kann, wird diesen Song lieben. Die erste echte Perle der Compilation.

5. Hang With Us: Mr. Pimp und Snakeyes waren Teil von The OE’z, der alten Crew von Jovishes, der später unter dem Namen Dirtbag in Miami Karriere gemacht hat. Eine 1997 aufgenommene EP der Gruppe ist bis heute unveröffentlicht. Aus derselben Zeit stammt auch dieser Track, der wieder eine neue Facette des vielseitigen Life Source zeigt. Sehr düster und minimalistisch ist der Sound diesmal, mit schnellen Hi-Hats, was perfekt zu den harten Raps der beiden OE’z passt. Dass bei der Restaurierung die Vocals stellenweise nicht mehr hundertprozentig wiederhergestellt werden konnten, lässt sich unter diesem Umständen problemlos verschmerzen.

6. Moves & Breaks: Dieser Song stammt aus 1997, dem gleichen Jahr, in dem Lowdown The Knoxvillain auch seine Debütsingle “Chalkline” gedroppt hat. Nach den beiden Hochkarätern gerade ist das 2,5-minütige Überbleibsel musikalisch wieder ein ziemlicher Schritt zurück und orientiert sich eher am samplelastigen Sound der frühen 90er. Es gibt bestimmt genügend Nostalgiker, die sich damit anfreunden können, mir klingt das zu überholt. Der Vergleich mit “Chalkline” verbietet sich, das war ein ganz anderes Kaliber.

7. Gettin’ Thick: Der zweite Song von “D” The Dark Horse auf dieser Compilation und der Mann packt in Sachen Inhalt nochmal locker eine Schippe drauf, wenn er darüber berichtet, wie ihm das Wasser auf der Straße bis Oberkante Unterlippe steht. Die Hook hätte noch etwas mehr Feinschliff vertragen können, aber der Song lebt von den Lyrics und das tut er gut. Ich wage mal zu behaupten, dass sich ein Release mit unveröffentlichten Songs (die es zur Genüge gibt) gut verkaufen würde und durch die Connection zu Shafiyq auch für Hörer interessant sein könnte, die mit Knoxville Rap sonst wenig bis nichts am Hut haben.

8. From The Dirty South: Die Kountry Boyz sind eine Gruppe aus den Walter P. Taylor Homes in East Knoxville. Angefangen hat man zu dritt, dann ging Super Swerv zum Militär. Zurück blieben Swoo und Lil Who aka Jimmy Floyd, die 2002 bei Life Source Records nicht nur ihr Album “Hustlin’ N Grindin'” veröffentlichten, sondern auch diesen bis heute liegengebliebenen Südstaatenrepresenter aufnahmen. Streichersample, Crunkbeat, Rapstyles im schönsten 2000-Era-Modus – vielleicht nicht der beste Track des Albums, aber ein Lückenfüller der gehobenen Sorte.

9. Hello: Mr. Knoxville aka Mr. Slim ist kein Unbekannter, er war schon früh mit 5ive Ft. Giant im Studio und auch auf der Life Source Records Compilation “The Package” mit einem Song vertreten. Ändert aber auch nichts daran, dass “Hello” hier zu den schwächeren Momenten gehört. Der Beat dudelt so vor sich hin, die Hook geht gar nicht und das Slim eine potentiell gute Rapstimme hat, rettet das Ganze dann auch nicht mehr. Hätte man auch weglassen können.

10. The Cannon: Kleiner Schlenker in Richtung Battle Rap jetzt. Cannon ist in dieser Sparte ein bekannter Name in Knoxville und gibt mit diesem – schon wieder ziemlich kurzen – Song eine Kostprobe seines Könnens. Was ihm durch sein jugendliches Alter an Stimmfarbe fehlt (der Song ist von 2001) macht er durch seinen Powerflow wieder wett. Solche Rapper haben in New York zu der Zeit mehr oder weniger erfolgreiche Mixtapekarrieren gestartet – und ein bißchen was von der Ära weht definitiv auch durch diesen Song.

11. Real 4 Eva: Stu und D.B. von T.N.1. gehören zu den Artists, die über Life Source Records – gewissermaßen ja das Vorgängerlabel von Enter The Legend Music – schon ein Album gedroppt haben. Auf “It’s On” (2001) waren die Straßentexte genauso Programm wie sie es in diesem Song sind. Keine hohlen Phrasen übrigens, was es hier über melancholischen Pianoklängen zu hören gibt: beide Rapper waren Vice Lords und machten eher durch ihre Aktivitäten auf der Straße Schlagzeilen als durch die Musik. Ein Jahr später ging Stu lange hinter Gitter. D.B. bekam die Kurve und macht mittlerweile Gospel Rap.

12. Open Your Eyes: Lowdown The Knoxvillian zum Zweiten und das klingt diesmal schon wesentlich runder als sechs Tracks zuvor. Sauber eingesetzte Gitarre, düstere Streicher im Hintergrund, dazu ein Lowdown der sein Können voll ausspielt und wieder seinen conscious angehauchten Straßenstoff bringt. Guter Track, aber auch einer, der nochmal zeigt wie überflüssig “Moves & Breaks” auf dieser Scheibe ist.

13. No Murder: Zweiter Song von 5ive Ft. Giant, der diesmal nur von einer Hooksängerin unterstützt wird und seinen Hood Report auf einem gut nach vorne gehenden Beat mit leichtem Gitarrengezupfe im Hintergund platziert. Hätte auch problemlos auf eines seiner Alben gepasst.

14. Born To Die: T.N.1. diesmal auf einer edlen Produktion mit Streicheruntermalung. Die Ausstrahlung eines 5Five Ft. Giant haben sie beide nicht, wobei besonders die Stakkatoraps im Mittelteil richtig gut kommen. Der bessere ihrer beiden Tracks auf dieser Scheibe.

15. Bounce Dat Azz: Neues Jahrtausend, neuer Sound. Die Lässigkeit von 1994 – höre Track 3 – ist Krush D. in den vergangenen acht Jahren irgendwie abhandengekommen, hier klingt er jedenfalls mehr bemüht als alles andere. Rapstil nervig, Beat nicht der Rede wert, dann dieser Ultraklischeetitel.. ne danke, kann weg.

16. When I Come Across: Skallywag von 1.2.9. ist sowas wie der Mystikal von Knoxville und hat mit “Steal My Style” auch schon mal einen Disstrack mit eindeutigen Anschuldigungen Richtung New Orleans abgefeuert. Ein offizielles Album hat er mit seinem Gruppenpartner Krueger aka Budagee nie veröffentlicht, der ein oder andere wird sich aber vielleicht noch an ihren Auftritt auf der Silver Hawk Records Compilation aus Chattanooga erinnern. Wer hier auf durchgedrehte Raps wartet, wird allerdings enttäuscht. Die Hook sitzt, aber gemessen an Skallys Möglichkeiten ein Track, so brav und unauffällig wie die generische Klimperkulisse.

17. Little Brittany: G-Funk orientierter Sound steht auf “The First Artifact” weniger im Fokus als erwartet, wobei allein dieser Track dafür mehr als entschädigt. Life Source zieht eine smoothe Soundkulisse vom Feinsten hoch, Live-Gitarre inklusive. Dazu Lonsdale Blacc im Singsang-Rapstyle über eine Gangschießerei mit tragischem Ausgang, in die er nur wenige Tage vor der Songaufnahme selbst verwickelt war. Die Story ist wahr, die Nachrichtensnippets sind echt – dieses musikalische Denkmal für “Little Brittany” ist der wahrscheinlich beste und erinnerungswürdigste Song der CD.

18. Physical Love: Und dann gibt es natürlich auch noch Aufnahmen, die seinerzeit völlig zurecht in der Schublade verschwunden sind. So wie dieser Track des New York/Knoxville-Rappers (Lord) Shafiyq, der sich einmal mehr mit den für ihn typischen Schwächen herumschlägt. Schlaftablettenflow meets dünne Produktion: kein Ruhmesblatt, auch nicht für Life Source, der im Lauf der Scheibe dann doch die ein oder andere Leistungsschwankung hinlegt, die sich nicht so ganz nachvollziehen lässt.

19. These Streets Is Heartless: Dafür gibt’s zum Schluss nochmal 5 Minuten Hitze von Bug und Skwirl, die in dunkel-drückender Stimmung und mit harten Lyrics über die herzlosen Straßen nahtlos an ihren ersten Track “V Street Assassins” anknüpfen. Beide Tracks waren ursprünglich für die Originalversion der “Package”-Compilation gedacht, die aufgrund technischer Probleme nie erschienen ist. Bleibt zu hoffen, dass auf dem nächsten Release von Enter The Legend Music noch mehr Material von diesem Format ans Tageslicht geholt wird.

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