Company Flow – Funcrusher Plus
“It’s the classic underground styles of the urban masters ..” (“Krazy Kings”) wäre wohl die treffendste Beschreibung des Albuminhalts. Doch bevor ich dazu komme, möchte ich noch ein paar Worte zur Geschichte dieser CD verlieren: Fangen wir mal am Anfang an und den gab es 1992 in Queens, als Jaime Meline, besser bekannt als El Producto oder kurz El-P, sich mit Mr Len zusammentat um die Gruppe Company Flow zu gründen. Schnell stellte man eine 12″ namens “Juvenile Tactics” fertig und veröffentlichte diese über das Label ‘Black Libra Records’. Doch die Zusammenarbeit mit dem Label stand leider unter einem schlechten Stern und so trennten sich kurz nach dem Release die Wege der beiden Parteien auch schon wieder. Zurück auf der Straße fingen El-P und Mr Len, bereichert um den Black Libra-Tontechniker Bigg Jus, an, ihre 1. EP “Funcrusher Plus” zu schaffen. Man machte nachts Musik, und tagsüber Geld um dadurch die Musik zu finanzieren. 1995 standen die drei dann mit ihrem fertigen Werk da und beschlossen es komplett in Eigenarbeit zu vertreiben. Und das gelang ihnen – recht gut sogar. Über 30 000 Einheiten der damals nur als Doppelvinyl erhältlichen EP verkaufte man auf den Straßen New Yorks. So wurde das kleine Independent-Label Rawkus auf das Trio aufmerksam und 1996 kam dann die LP “Funcrusher Plus” auf den Markt; eine erweiterte Version der ursprünglichen EP die nun auch auf CD erworben werden konnte. Soviel zum Entstehen dieses Albums. Was El-P damit ins Rollen brachte, schied damals wie auch Heute noch die Geister. Manche sahen es als den Durchbruch des Untergrunds, als ein neues Kapitel der Rapmusik. Für Andere war es einfach krankhaft auf Innovation getrimmter Krach in der zu dieser Zeit immer noch recht konservativen New Yorker Rapwelt. In einem Punkt war man sich jedoch einig: Was man hier hörte, gab es vorher in dieser Form noch nicht.
Gleich mit den ersten Zeilen des Albums macht Big Juss bei “Bad Touch Example” klar, welche Schiene man fährt: “Your eyes get blind like Tupac gettin’ shot in the lobby / most Mcee-Styles is robby of my freestyles as a hobby ..” Diesen Seitenpfad im Dickicht des Rapdschungels fernab vorgetretener Wege geht man das komplette Album und so bewahrheiten sich El-P’s spätere Worte “I’m not tryin to be different – I am…” schon zu Anfang. Auf “8 Steps To Perfection” geht es dann erstmal gemächlicher zu. Hier ist es El-P, der mit Zeilen wie “drinkin’ water out the well of life and I’ma piss it back rusty” zeigt, in welcher Höhe man die textliche Messlatte zu setzen hat. Seinen unermüdlichen Kampf gegen die Rapindustrie, in diesem Falle besonders das Label Time/Warner, führt El-P dann auf “Collude-Intrude” zusammen mit Indelible MC’s-Kollege J-Treds fort. Scheinbar völlig deplazierte Drums über total verzerrten Vocals vermitteln einen recht chaotischen Eindruck, welchen die beiden MC’s mit ihrem kompromisslosen Flow nur noch verstärken. Weitere Überraschungen hält dann “Lune TNS” bereit. Big Juss schildert seine Vergangenheit in der New Yorker-Writerszene und mischt dabei den eigentlichen Text mit etlichen Pseudonymen der Grafittiszene. Was auf den 1. Blick recht chaotisch wirkt ergibt bei genauerem Hinhören durchaus einen Sinn. Erneute Unterstützung der Indelible MC-Kollegen Breezly Brewin (Juggaknots) und J-Treds gibt es dann wieder auf “The Fire In Which You Burn”. Beattechnisch hat El-P hier wieder mal etwas recht gewöhnungsbedürftiges aber in Anbetracht der verschiedenen Rapstile der MC’s nicht ganz Unpassendes hervorgebracht: Auf eine sehr abenteuerliche Drum-Highhat-Komposition wurde ein orientalisch anmutendes Zupfinstrument gepackt. Textlich wird in diesem Lied die Messlatte des Albums noch einmal ein ganzes Stück höher gesetzt und besonders J-Treds brilliert in seinem 2. Feature: “Raisin, my Iron Curtain revealin my words the gospel / no apples or giant serpents, the enlightened apostle J-Treds” zeigt sehr gut mit einem MC welcher Güteklasse man es hier zu tun hat und nicht einmal El-P kann ihm trotz Lines wie “even when I say nothing it’s a beautiful use of negative space” auf diesem Track das Wasser reichen. Auf dem Oben schon erwähnten “Krazy Kings” kommt man wieder ohne Gastrapper aus und hier ist es Bigg Jus, der auf einem bis zum Minimum heruntergeschraubten Beat glänzt. Die Zeilen “when in 1985 they injected me with props / ten years of misdirected blacks killing, I’m back on the block / recuperating from the never-ending bloodshed of the war / though my pockets remain empty, my soul remains pure..” bringen es wohl am Besten auf den Punkt. Den vielleicht persönlichsten Track des Albums liefert El-P mit “Last Good Sleep” ab. Hier spricht er über das ebenfalls in “Stepfather Factory” (höre: “Fantastic Damage”) schon erwähnte Verhältnis zu seinem Stiefvater Scott Bivins und zeigt damit mal wieder dass er trotz aller Abstraktheit, oder vielleicht auch gerade deswegen, dazu fähig ist tiefgehende persönliche Erfahrungen in Texten wiederzugeben ohne dabei auf eine allzu kitschige Art rüberzukommen. Die Atmosphäre, durch den manchmal richtig unerträglich wirkenden Beat hervorgebracht, ist ungemütlich, irgendwie drohend und unterstreicht damit perfekt Textstellen wie “at night I cover my ears in tears / the man downstairs must have had too many beers / now every night of my life he beats his wife” welchen die total verzerrte Frauenstimme in der Hook noch das i-Tüpfelchen aufsetzt.
9 von 10 Punkten, da dieses Album einfach zu kompromisslos ist. Man mag es, oder man mag es nicht, aber ‘Easy Listening Rap’ für die breite Masse wird es wohl nie werden; dafür ist es viel zu anstrengend, zu dicht, zu abstrakt. Doch gerade die Genialität die sich einem beim Hören irgendwann erschließt, macht diese CD so gut.
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