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Cannibal Ox – The Cold Vein

Harlem, Ecke 139 Street/Lennox Avenue – der Rapwelt wohl besser als ‘Dangerzone’ bekannt, wie Big L einst seinen Block bezeichnete. Ein paar Straßenecken weiter, musikalisch sind es Welten, liegt der Block in dem Vast Aire Kramer und Vordul Megallah, zusammen Cannibal Ox, aufwuchsen.  ‘Cannibal’ steht für “eating MC’s”, also den Vorzeige-Battlerapper der seine Gegner in Massen vernichtet; zu ‘Ox” sagt uns Big L’s Slangwörterbuch ‘Ebonics': “a razor blade is a ox”. Das also die Erklärung des etwas ungewöhnlichen Namens.  In der Tat stechen die beiden Rapper mit ihrem recht abstrakten, sehr poetischen, aber auf jeden Fall unkonventionellen Stil aus der Menge lokaler Rapper hervor und so ist es kein Wunder das man seit dem 1. Zusammentreffen damals im Poetry-Course der Highschool zusammen unterwegs ist.

 
In diesen Anfangszeiten um 1995 entstand dann auch die MC-Formation Atoms Family aus welcher im weiteren Albumsverlauf auch Windnbreeze, Cryptic One und Alaska zu Wort kommen werden. So war der Name Cannibal Ox seit 1995 auf jeder Jam in New York präsent und ab 1997 auch außerhalb der Stadtgrenzen. Auf einem dieser Auftritte kann es dann zum 1. Zusammentreffen mit El-P und die Chemie stimmte von Anfang an. Dieser nahm sich der Beiden an, signte sie sogleich auf seinem neugegründeten Label Definitive Jux und brachte “The Cold Vein” zur allgemeinen Überraschung als Erstveröffentlichung. Das Album wurde komplett von ihm produziert und erhielt sogar den Vorzug vor seinem Solo-Debut; ja sogar Lieder die eigentlich auf “Fantastic Damage” kommen sollten (“Ridiculoid”) wurden darauf gepackt.

Bei “The Cold Vein” führt El-P dann fort, was er bei “Funcrusher Plus” begann: Seinen eigenen, sich nicht anpassenden Produktionsstil. Doch ging es zu Company Flow-Zeiten noch verhältnißmäßig konventionell zu, so gibt es hier die volle Palette Elektronik. Was da an Geräuschen jeglicher Art zusammengesetzt wurde und sich zusammen mit den gewagtesten Drumpatterns zu Soundgefügen auftürmt um dann ein paar Takte später wieder bis auf oft nur einzelne Geräusche zusammenzufallen, ist bei manchen Liedern (“Raspberry Fields”) dann doch schon arg gewöhnungsbedürftig, sorgt aber in jedem Lied für eine ganz eigene Atmosphäre. So bleibt einem am Ende dann nur übrig, den Hut vor dieser Produktionsleistung zu ziehen. Denn egal ob man El-P und seine Beats mag oder nicht, was er hier an Innovation und Abwechslung geschaffen hat, findet man beim besten Willen nicht oft. Auch was den Bereich der Raps angeht, können die beiden Rapper voll überzeugen. Mal vom Inhalt, auf den im Weiteren noch eingegangen wird, abgesehen, sind es die grundverschiedenen Arten der beiden MC’s zu rappen, die sehr viel ausmachen. Vast Aire mit seinem ruhigen, behäbigen Flow zu dem seine hohe Stimme so überhaupt nicht passt und Vordul Megallah mit seiner schnellen, ungleichmäßigen, manchmal auch sehr aggressiven Art zu rappen, sind das komplette Gegenteil voneinander und schaffen es doch erstaunlicherweise immer wieder sich zu ergänzen und zu harmonieren.

 
Auf dem fast 6-Minütigen Lied ‘Iron Galaxy’ eröffnet Vordul Megallah mit “life’s ill, sometimes life might kill” das Album. Über eine Anhäufung von Geräuschen, die sich nur schwer als Beat bezeichnen lassen, erzählen die beiden Rapper vom Alltag in Harlem. “Everyday is no frills, empty crills, empty 40 bottles and MC’s with skills” – selten hört man eine so bildliche, ungeschminkte Darstellung des täglichen Elends auf den Strassen Harlems. Immer wieder unterbrochen von allerlei Samples aus diversen Filmen (“Ghost In A Shell”) schafft es El-P mit seiner Produktion eine sehr düstere Atmosphäre aufzubauen welche Vast Aire bei seinem Einsatz gegen Ende des Liedes mit Zeilen wie “you were a stillborn baby / your mother didn’t want you but you were still born” oder “black boy meets world, of course his pops has gone / but what you figure, that chalked outline on the ground is a father figure ?” noch verstärkt. Hier zeichnet sich auch schon ab, was man im Verlaufe des Albums noch oft hört, diese einfachen, aber dennoch sehr poetischen Wortspiele die so ganz und gar nicht zu einem Rapper wie Vast Aire zu passen scheinen; einem 350 Pfund-Koloss der sich in “Stress Rap” selbst als “starving, happy-harlem, rap magician” bezeichnet.

 
Bei “Atom” schafft es dann Cryptic One, inoffizieller Frontmann der Atoms Family, den beiden eigentlichen Rappern mit seiner kurzen Geschichte über Vogel und Wurm die Show zu stehlen. Es ist mal wieder erfreulich zu hören, das Gästerapper nicht nur als Namedropping verheizt wurden, sondern auch ordentlich rappen, was bei einem so hohen Level schon etwas heißen soll. “Straight Off the D.I.C.” dann einer der wenigen Battletracks mit einem sehr einfach gehaltenen, recht drumlastigen Beat zu dem Vordul Megallah den Refrain beiträgt. Vast Aire in der 1. Strophe wieder mit gewohnt guten Reimen wie “there’s 2 things in life: facts and believe / and you best believe, it’s a fact I just rolled the leaf” und auch sein Partner danach mit einer guten Darbietung seines ungewöhnlichen Flows. “Vein” kommt dann wieder viel elektronischer, dafür aber mit gutem Storytelling von Vast Aire. In “The F-Word” erzählt Selbiger dann die Geschichte seiner Freundschaft zu einem Mädchen, in der er mehr wollte aber nicht bekam: “I extendet my thoughts in a relationship / but they sunk like the Titanic’s relation-ships”. Vordul Megallah sorgt erneut für den Refrain und liefert auch wieder einen guten Job ab.

 
Eher gemütlich geht es dann in “Stress Rap” zu, was mich aber genau wie das Folgende “Battle For Asgard” (mit L.I.F.E. Long und C-Rayz Walz) nicht so recht zu überzeugen vermag. “Real Earth” mit seinem sehr düsteren Beat, dem Solo-Einsatz von Vast Aire und nicht zuletzt wegen dem total zerschnippselten Guru-Vocal ist wieder eines der besseren Lieder des Albums. El-Producto kommt gegen Ende nach seinem kurzen Einsatz in “Ox Out The Cage” auch noch einmal auf dem am Anfang schon erwähnten “Ridiculoid” zu Wort und glänzt auf einem der besten Beats des Albums. Das Folgende “Painkillers” (einziges Lied zu dem ein Video existiert) dann wieder eines der etwas schlechteren Lieder. Ein etwas leiernder Beat und ein etwas gelangweilt klingender Vast Aire können nicht so ganz überzeugen, ganz im Gegenteil zu dem angehängten Instrumental. Als Hiddentrack gibt es dann noch “Phoenix”, Fortsetzung von “Pigeons”, welcher im Gegensatz zu seinem rockigen Prequel eher klassisch kommt und einen guten Abschluss dieses Albums bildet.

Ich gebe dem Album 9 von 10 Punkten, weil es eben noch einen Tick zu kompromisslos und unangepasst ist, was, wie man hier sehr gut sieht, auch nicht unbedingt etwas Schlechtes sein muss.

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