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Canibus – Rip The Jacker

Totgeglaubte leben bekanntlich länger. Und dieses Album hätte man eigentlich einfach “Die Rückkehr” nennen kennen. Wie bei einer schlechten Deutschuntertitelung bei Hollywood-Horrorsequels. Und doch würde dieser Titel den Nagel auf den Kopf treffen. Der 1974 in Jamaika geborene Germaine Williams alias Canibus jedenfalls hat schon so viele Karrieretiefs erlebt so dass dieses Album wahrlich einer Auferstehung gleichkommt.

 
Wir kennen seinen Leidensweg: Einst die heißeste Entdeckung des Big Apples und gleich zu Anfang seiner Karriere ein schon jetzt legendäres Battle mit LL Cool J aus dem das berühmte “Second Round K.O.” hervorging womit Canibus einheitlich zum Sieger auserkoren wurde. Und dann sollte auch noch Wycelf Jean sein erstes Album produzieren damit Canibus so richtig charten kann? Die Zeichen standen auf Übernahme des hiesigen Games und eine bessere Ausgangsposition hätte sich für die damalige Zeit nicht finden lassen können. Doch es kam wie es kommen musste: Wyclefs Produktion wurde der verbal ecstasy seines Schützlings nicht gerecht, dazu kam noch schlechte Promotion und aus war der Traum. Darauffolgende Releases fanden selbst im Underground kaum Beachtung, Canibus versuchte sich dann mittels aufgesetzter Beefs mit Eminem zu retten bevor er letztendlich vorübergehend in der Army landete. Warum auch nicht, schließlich ließ ‘Bus schon zuvor in einigen Tracks seine Kriegsbegeisterung verlauten und er könne es nicht erwarten ein paar Bomben auf einige Taliban zu werfen. Schließlich hatte er ja bereits genügend “battle experience” gesammelt. Der Karrieresuizid schiend endgültig vollzigen. Doch rechtzeitig krempelte er sein Leben um und startet nun mit “Rip the Jacker” einen Neuanfang. Und wenn man sich seine Karriere so anguckt, so wird eines überdeutlich: Wir haben es hier mit jemandem zu tun der in nicht wenigen Kreisen zu den besten Rappern aller Zeiten gezählt wird. Aber wir haben es auch mit jemandem zu tun, dessen Flops schlichtweg auf miese Beats zurückzuführen sind. Das dachten sich sicher auch die oberen Labelinstanzen bei Babygrande und schoben Canibus nun endlich einen Produzenten zu der wirklich das Zeug hatte ihm unter die Arme zu greifen. Und dieser eine Produzent ist kein geringerer als Stoupe the Enemy of Mankind von den berüchtigten Jedi Mind Tricks.

So bekommt man das, was man so an Stoupe zu schätzen weiss. Cineastisch dramatische Beats mit der gehörigen Portion Exotik. Man möge aber bedenken, wir schreiben das Jahr 2003 und in dem Jahr erschien schließlich auch “Visions of Gandhi”der Jedis. Tatsächlich beschleicht einem manchmal das Gefühl, dass Stoupe einige liegengebliebene “Gandhi” Beats einfach Canibus gegeben hat, er möge doch bitte noch was draus machen. Den Hardlinern wird das ein Dorn im Auge sein, denn auch hier finden sich somit einige experimentell anmutende Latineinflüsse wieder.
Auf den ersten Blick scheinen also schon wieder die Beats das schwache Glied zu sein. Doch weit gefehlt. Sie sind die perfekte Unterlage für Canibus’ lyrisches Feuer und setzen seine Raps auch in einem absolut passenden Kontext. Wenn Canibus z.B. auf “Genabis” seine MC-Ursprünge mit der biblischen Schöpfungsgeschichte vergleicht (“in the beginning I discovered wordplay / I experimented with some syllables from the first to the third day / on the fourth I searched for the words to say / how to compress complex verbiage in the least amount of space / I was perfect at it and mastered the tactic’s / On the fifth day I decided I would combine it with mathematics / on the sixth day I became a fanatic and I couldn’t kick the habit I would just look in the mirror and practice / on the seventh cycle, I had to take the day off”) und im Hintergrund bedeutungsschwangere Glocken und Chöre ertönen, dann gehen Lyrics und Beat eine perfekte Symbiose ein. Auf Levitibus bekommen wir so dann einen der faszinierendsten Beats der letzten Jahre zu hören. Stoupe lässt exotischen Gesang erklingen, Akkordeon, Gitarren und Streicher und schafft somit eine in der Form einzigartige wie abgehobene und schlichtweg schöne Atmosphäre. Ein Grund mehr ihn als einen der derzeit besten Produzenten zu feiern. Die Drumgebilde sind über die Albumlänge stoupetypisch trocken und relativ spröde gehalten was dem ganzen aber keinen Abbruch tut. Insgesamt kann man zu seiner Arbeit sagen, dass sie abwechslungsreich ist mit deutlichen Anleihen am “Visions of Gandhi” Sound, jedoch aber stets Canibus’ Style der scientific-battle-storytelling-poetry aufzufangen weiss. Gute Arbeit.

 
Doch zurück zum Hauptprotagonisten, seinem Album und seine Inhalte: Canibus betreibt hier Lyricism vom anderen Stern. Stets flößt er seiner herrlichen Poesie die gehörige Portion science ein, was ein riesiges wie komplexes (Fremdwörter-) Vokabular mit sich bringt. Daraus ergibt sich wiederum ein in der Tat überlegener Stil in allen Kategorien. Seine Reime sind von schlichtweg begnadeter Güte, sein Flow stets extrem druckvoll und in Verbindung mit seiner einzigartigen Reptilienstimme auch voll Gift. “Spucken” im wahrsten Sinne des Wortes. An dieser Stelle sollte dennoch eingeräumt werden, dass diese Stimme auf Albumlänge wiederum sehr anstrengend werden kann.
Inhaltllich lassen sich drei übergeordnete Themen erkennen: Biographische Ansätze und Lines, (fiktive) Geschichten und Battle. Und bis auf einige Storytellertracks gehen diese Themen sehr fließend ineinander über weil meistens das eine aus dem anderen resultiert. Stets scheint seine Unzufriedenheit durch, warum er denn nicht so erfolgreich sei, trotz seiner vorhandener Skillz (aus Levitibus: “you look at me like “poor bastard why cant you manipulate billboards with all your metaphor magic?” no matter how hard I practiced every microphone I sorta grabbed it obviously thats the wrong tactic”; aus Indisible: “Hip-hop forever / that’s what I see when I look in the mirror / regardless of whether I’m not a bestseller”) und seine Meinung gegenüber dem Mainstream (aus Cemantics: “you see ass and tits?, welcome to madness”). Jemand der einfach zu gut ist für den mainstream, was er dann auch einsehen muss (aus Levitibus: “I’m ahead of my time, or so they say / I guess thats why I already feel old and grey”). Dass dabei aber noch Zeit bleibt für gesalzene Systemkritik wie im 3. Part von “Indisible” ist die Krönung. So scheinbar nebenbei schneidet er auch in nur zwei Zeilen seine Kindheit in Jamaika an (aus Cemantics: “If you can survive or thrive in the Jamaican ghetto / you deserve a Congressional medal”), sagt im selben Part, man möge doch bitte seinen Kindern Dead Prez zum einschlafen vorspielen, gesteht sich einen eigenen Reifeprozess zu (aus Showtime at the Gallow: “Tyson ain’t the champ no more them days is gone / and Rip the Jacker ain’t too stubborn to say when he’s wrong”) und verbindet auf “No Return” außerirdisches Storytelling mit den Themen Terrorismus und 9/11. Und am Ende wäre da noch “Poet Laureate Pt. II”: 7 Minuten non stop Gespitte über drei verschiedenen Beats. Die Summe des Albums, das Fazit wie auch die Synopsis. Wieder mit einem autobiographischen Ansatz gibt’s hier nochmal die volle Packung. Sick.

Abschließend sei zu sagen, dass Canibus dank der (nicht immer 100% dopen) Beats und seiner üblichen lyrischen Qualität wohl noch nie so stark war. “Rip the Jacker” ist somit, trotz nur 45 Minuten Laufzeit, eine gelungen inszenierte Wiederauferstehung. Ich wünsche mir in Zukunft noch mehr dieses Kalibers. Am besten Canibus als festes Mitglied der Jedi Mind Tricks.

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