Brotha Lynch Hung – The Virus
Irgendwie fällt es recht schwer, die ganzen neueren Releases des Siccmadsters aus Sacramento richtig einzuordnen: während sich Lynch in der Zwischenzeit selbstständig gemacht hat und über das hauseigene Label Siccmade Muzicc veröffentlicht, verfügt Cedric Singleton’s Black Market Records allem Anschein nach noch immer über genügend Rechte, um im Namen (und ohne die Einwilligung??) des verrückten Bruders dessen Hörmaterial in die Verkaufsregale zu schicken. Das war mir bislang eigentlich so lang wie breit, doch ist mit “The Virus” eine klare Grenze erreicht worden: schamlos hat man non-exklusive Stücke von diversen, längst erschienenen, Alben zusammengerafft, mit einem Schuss neuen Materials versehen und das Endprodukt (in der Hoffnung, die Fans würden schon bereitwillig zulangen) so schnell wie möglich auf den Markt geschossen – Cedric Singleton in full effect also.
Dem skrupellosen Boss sind inzwischen wohl alle Mittel recht: wen kümmert’s, dass Brotha Lynch in “Gotta Die Soon” (gediegene Harmonika-Atmo) mal kurzerhand “Fuck Black Market” rappt? Auf derlei Kleinigkeiten wird längst nicht mehr geachtet. Da fällt es auch nicht weiter ins Gewicht, dass die Solo-Releases von Ballin’ A$$ Dame, E-Moe, Fig Naytion und der South Side Posse (auf denen Lynch als Gastrapper zu hören war) als Musik-Lieferanten für dieses bessere Bootleg-Album missbraucht wurden. Doch allen Widrigkeiten zum Trotz wäre es falsch, “The Virus” kurzerhand als absoluten Schlag ins Wasser abzutun, denn das Album hat (wenn auch in eingeschränktem Maße) durchaus Substanz. Vor allem “One Of Us” gefällt mir gut, die Atmosphäre ist einmal mehr abgrundtief dunkel, die Beats rumpeln die schlechte Soundqualität ungehobelt ins Abseits der Aufmerksamkeit und am Mic gefällt Lynch im Zusammenspiel mit Loki und Child Molester Sicx, der seinen ohnehin ramponierten Ruf mit geschmacklosen Zeilen wie “Siccmade all my life / I’m fuccin’ yo kids instead of yo’ wife” fleißig untermauert. Auch der Rest der Songs ist ziemlich dunkel und bedrohlich gehalten, man befand sich zum Zeitpunkt der Aufnahmen noch einen ganzen Schritt weit weg von der aalglatten Akkustik der neuesten Siccmade-Sachen. Schade, dass es sich bei “I’m Like” und “Die On The Cross” nur um viel zu kurze Bootleg-Schnipsel handelt, denen die Zeit, die ein durchschnittlicher Lynch-Song braucht um seine ganze kranke Wirkung zu entfalten, nicht vergönnt ist.
Um die Unübersichtlichkeit und mangelnde Koordination des Projekts zu vervollständigen wurde noch eiligst ein “Chico”-Freestyle mit Lynch, Tallcan (von den Swartzaniggaz) und Phonk Beta sowie ein paar Advertisement-Snippets von Cilla Caine’s neustem Machwerk auf den Silberling gepresst. Wie nun ein solches Album bewerten? Auf der einen Seite überzeugt die Musik, auf der anderen scheint “The Virus” nicht mehr zu sein als ein Spielball durchtriebener Labelpolitik. Als Hörer steht man genau in der Mitte – es wäre schön, wenn die Herrschaften derartige Spielchen in Zukunft unterlassen würden.
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