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Nuccini!

“Hier verschmelzen herzzerreissende Streicherarrangements mit angezerrten Beats, melancholische Gitarenmelodien reihen sich an zerhackte Samplefragmente und zerbrechlicher Gesang wird abgelöst von harten Raps. Wer vermag da noch zu sagen wo HipHop aufhört, Postrock anfängt, Elektronica durchscheint und Pop aufblitzt?” – so schwärmerisch der Waschzettel zu “Matters Of Love And Death” sich auch lesen mag: man kann dem Schreiber nur Recht geben. Nuccini! – seines Zeichens Gitarrist der Postrock-Formation Giardino di Mirò und “Dottore” der italienischen Literatur – hat mit seinem Solodebüt “Matters Of Love And Death” ein hochinteressantes Album kreiert: auf der einen Seite hintersinnig und verwinkelt, gleichzeitig aber auch charismatisch, emotionsgeladen und aufwühlend. Ein facettenreiches Meisterstück dass zwischen allen Stühlen genau richtig sitzt und vor allem der ideenarmen Rapszene unserer Tage zu denken geben sollte. [Photos #1 u. #3 von Simona Pinto]

Nuccini!

Nuccini!

Du warst erst letzte Woche in Japan auf Tour. Welche Eindrücke hast du mitgenommen?

Japan ist eine Kreuzung aus westlicher Zivilisation und asiatischer Kultur. Es gibt eine ganze Menge Unvereinbarkeiten, aber gerade aus diesen Paradoxien erwächst echte Poesie. Die Lichter von Tokio sind unbeschreiblich.

Natürlich hast du dort auch dein aktuelles Album vorgestellt. Wann und warum hast du dich entschieden ein Solo zu veröffentlichen und wie lange hast du an “Matters Of Love And Death” gearbeitet?

Der Entschluss stand schon seit längerer Zeit fest, seit ungefähr drei Jahren. Mit den eigentlichen Aufnahmearbeiten war ich ein Jahr beschäftigt. Ich habe mich für dieses Soloprojekt entschieden, weil ich Musiker aus Überzeugung bin: Musik aufzunehmen und zu spielen ist meine Lebensessenz. Doch eigentlich ist es gar kein Soloalbum, eher ein Projekt in dass ich direkt involviert bin, an dem aber auch noch viele andere Leute beteiligt sind. Also sowohl eine Einzel- als auch eine Gemeinschaftsarbeit.

Erzähl mir mehr über die Konzeption des Albums…

Im Grunde ging es mir darum, mich musikalisch einmal von Giardini Di Mirò abzugrenzen. Also habe ich an meinem Selbstbild gearbeitet und versucht einen völlig anderen Sound zu finden, der aber doch nicht zu weit von meinem Stil, meiner Kultur und meinen früheren Arbeiten erntfernt war. Es ist schwierig, das mit so wenigen Worten zu beschreiben. Ich habe mich aus meiner damaligen Situation herausgearbeitet um mich neu zu verorten. Siaz und die Shadow Animals Crew halfen mir bei der Entwicklung dieses Projektes. Sie haben mich in vielerlei Hinsicht unterstützt, wofür ich ihnen sehr dankbar bin. Was die Lyrics angeht gibt es nicht viel zu sagen. Jeder Emcee hat seinen Stuff geschrieben. Da bin ich nicht despotisch.

Eine der beeindruckendsten Feststellungen war für mich persönlich die ambivalente Geschwindigkeit einiger Songs, diese Kombination von einerseits schnellen, fast schon hektischen Raps und Beats und andererseits weiten, schwebenden Background-Sounds – etwa in “Girls Are Laughing” oder “The Dinosaur, The Monkey, The Breakdance”. Gibt es weitere solcher Kunstgriffe, die deinen Sound definieren?

Ja, vollkommen richtig, danke dass du danach fragst. Ich habe versucht meinen emotionalen Lebensrhythmus in Musik umzusetzen. Ich weiß nicht ob das immer offensichtlich ist. Aber das war mein Ansatz. Ich denke nicht, dass Musik Geheimnisse oder Kunstgriffe nötig hat. Es braucht Hände zum spielen, ein Herz um zu fühlen und das geistige Vermögen, Komplexes auf einfache Weise auszudrücken. Ich denke jeden Tag an Musik. Mein Sound ist das, was ich bin. Er ist mein Ausweis und definitiv ein tragendes Element in meinem Leben. Ich habe immer neue Ideen im Kopf. Das ist wohl das große Problem: Ideen kann man nicht hören. Also ist es immer ein hartes Stück Arbeit, sie in Musik umzuwandeln.

Nuccini!

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Glaubst du nicht, dass der durchschnittliche Hörer damit überfordert ist?

Vielleicht, aber ehrlich gesagt kann ich mich nicht nach dem Durchschnitt richten. Ich meine: die künstlerische Produktion wird nie nach dem Mittelmaß kalkuliert. Ich spiele nicht für die Masse. Ich spiele für Sweet Hearts. Bist du eines? *lacht*

Na, das will ich doch hoffen. “Matters Of Love And Death” klang oft wie vertonte Poesie. Welche Ideen haben dich bei den Aufnahmen bewegt, oder anders ausgedrückt: welche Bücher stehen denn in deinem Regal?

Uh, danke dass du danach fragst. Coole Frage. Lass mich nachdenken. Ja. Pierpaolo Pasolini, Piervittorio Tondelli, Silvio D’arzo, Alberto Moravia, Roland Barthes, Flannery O’Connor, Fjodor Dostojewkij, Melville, Beppe Fenoglio, Jorges Luis Borges, John Fante, Cesare Pavese…

Und kannst du ein Beispiel dafür geben wie du einen ganz bestimmten Gedanken musikalisch artikuliert hast?

Das ist etwas, was Worte nicht beschreiben können. Und genau aus diesem Grund ist es auch so verlockend. Es gibt kein Vokabular für diese Emotionen. Es ist etwas Verstecktes – irgendwo, irgendwie.

Welche Emotionen möchtest du durch deine Musik auslösen?

Eine vage Hoffnung, die kein Trost ist sondern vielmehr die vorübergehende Freude daran, Musik zu machen und den Augenblick vor dem Vergehen zu bewahren. Weil Musik eine echte Freude ist.

Das Album hat einen sehr “europäischen” Charakter, es ignoriert nationale Grenzen. Wie kamen die verschiedenen Gastkünstler zu diesem Projekt?

Einer nach dem anderen. Ganz am Anfang habe ich nur mit Siaz gearbeitet. Wir standen in Kontakt, seitdem wir mit Giardini Di Mirò einen Song für “Being Kurtwood”, das Album von Zucchini Drive produziert hatten. Da lag eine weitere Zusammenarbeit natürlich nahe. Siaz hat Bluebird ins Gespräch gebracht und so weiter und so fort. Jedes neue Projekt ist ein Sprung aus dem Fenster. Du weißt nicht ob du auf einem Auto, dem Boden oder in den Armen eines schönen Mädchens landest. Du siehst nur wie das Fenster sich öffnet und fühlst die Notwendigkeit zu springen…

Wie steht es um die zeitgenössische Musik in Italien? Gibt es einen Markt für Leute wie dich?

Es sieht schlecht aus. Label und Händler haben es schwer weil die Leute sich einfach keine Musik mehr kaufen, es wird nur noch aus dem Netz geladen. Ich werde auch weiterhin jeden Tag Musik zu machen, ob mit meinen besten Freunden oder allein. Nur das macht mein Leben erträglich.

Nuccini!

Nuccini!

Ist dein Leben denn so unerträglich?

Ich wollte damit nicht sagen dass mein Leben generell unterträglich ist. Manchmal ist es hart, ja. Aber ich bin ein Braveheart. Du etwa nicht?

Du stehst bei dem kleinen Hamburger Label 2nd rec unter Vertrag – wie ist das zustandekommen?

Die Leute von 2nd rec sind für mich in erster Linie Freunde, nicht Labelchefs. Wir stehen in enger Verbindung zueinander und arbeiten tagtäglich zusammen. Für mich sind sie auch nicht klein, sie sind wichtig. Nur neulich ging’s beim Thema Fußball heftig zur Sache, gut dass ihr Deutschen die Niederlage gegen Cannavaro und Anhang so locker weggesteckt habt…

Wie hast du den Titelgewinn der Squadra Azzurra im Sommer denn gefeiert?

Ich bin abergläubisch. Also bin ich dortin zurückgekehrt wo ich schon bei der gewonnenen Weltmeisterschaft 1982 in Spanien war. 1994 habe ich das nicht getan und wir haben gegen Brasilien verloren. Ich habe den Titel zuhause bei meinen Eltern gefeiert, wie damals als Kind.

Dein zweites Soloalbum soll schon im Sommer ’07 folgen. Gibt’s schon nähere Infos?

Ich bin noch nicht sicher ob ich es bis zum Sommer nächsten Jahres schaffen werde. Jetzt geht es erst einmal um Giardini Di Mirò, es ist also vielleicht noch etwas früh, um darüber zu sprechen. Ich liebe es, oft die Richtung zu wechseln, denke also nicht dass es mit “Matters Of Love And Death” vergleichbar sein wird. Das ist alles was ich zum jetzigen Zeitpunkt mit Gewissheit sagen kann.

Und wie sieht es bei Giardini Di Mirò aus?

Giardini Di Mirò, das ist mein Zuhause. In dieser Band habe ich alles gelernt, wofür ich den anderen Bandmitgliedern sehr dankbar bin. Es sind nette Jungs. Was die Zukunft angeht? Ich mag es nicht, Erwartungen zu haben. Ich versuche nur immer mein Bestes zu geben und ein guter Mensch zu sein.

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