Review zu Vinylauflagen von Red Money „II Much Red“Wenn zwei Labels zur gleichen Zeit einen solchen Klassiker erstmalig auf Platte pressen, sollte klar sein: Das Vinyl-Revival hat auch den Gangsta-Rap aus dem Untergrund gepackt. Manches Sammlerherz schlägt höher, wenn ein Album aus der Golden Era ein Vierteljahrhundert später endlich zu schwarzem Gold wird. Andere sehen dunkle Wolken der Kommerzialisierung aufziehen und befürchten – neben Preissteigerungen der noch nicht geborgenen Schätze in ihrer Suchliste – den Verlust der Einzigartigkeit ihrer Underground-Raritäten. Verstehen können das nur Leute, die mit Leidenschaft Originale sammeln, die den Geruch alter Hüllen lieben und die ein nostalgisches Gefühl beim Anschauen eines Covers so ergreift, dass sie es bewahren und bestmöglich schützen wollen. In meiner Brust schlagen beide Herzen. Am stärksten ist die Passion für das Original, aber wenn es dieses nicht auf Vinyl gibt, könnte ich mich an einer guten Neupressung erfreuen.
Aber was ist gut? Im Fall von „II Much Red“ gibt es gleich zwei unterschiedliche Versionen, die hier genauer unter die Lupe genommen werden können. Eine stammt von Most Wanted Records (MWR), die sich auf Discogs wie folgt beschreiben: „A rap label based in Luxembourg, specialising in reissues of underground gangsta rap rare albums.“ Die andere Pressung geht aufs Konto von NorthCyde Vinyl (NCV), die sich die Mission „Bringin' you 90's Hip-Hop & Rap Classics on Vinyl“ auf die Fahne geschrieben haben. Hier im Forum hat der User everstoned261 mit dem Motto „Quality over Profit“ die Werbetrommel für NCV gerührt und erklärt, dass der geschäftige Red Money die Lizenz zweimal verkauft habe. Labels sollten zukünftig, wenn sie exklusive Lizenzen erwerben wollen, nicht nur bei Produzenten und Rappern vorsichtig sein, die „Money“ im Namen tragen. Die Version von MWR hatte ich bereits bestellt, everstoned261 hat mir das NCV-Werk kostenfrei für ein „ehrliches Review“ gesendet. Los geht es mit einem scharfen Blick auf die Cover-Gestaltung.
Das MWR-Frontcover hat, wie auf dem Bild (links) zu sehen, einen stärkeren Rotanteil und ist so weit zugeschnitten, dass die Hälfte von Reginald Lowes linkem Schuh absägt wird. Bei der Version von NCV (Bild rechts) stechen die vergleichsweise eher hellrote bis lachsorange Farbe und der zusätzliche Rahmen ins Auge, der oben den Schriftzug „Remastered Special Edition“ trägt. Damit wird gleich deutlich, dass es sich um eine Neuauflage handelt. Auf dem NCV-Backcover und den LP-Etiketten wird das durch die Jahreszahl 2020 unterstrichen – so geht Transparenz! Im Gegensatz dazu prangt auf dem MWR-Backcover und den MWR-LP-Etiketten das Jahr 1995. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie, denn: Die Gestalter von MWR haben wahrscheinlich als Vorlage das Artwork der CD-Nachpressung verwendet, während NCV das Original rausgeholt hat. Cover vom Repress drucken und auf 1995 machen – das gibt einen klaren Punktabzug. Können das Gatefold-Cover und die roten Platten, auf die MWR in einer Limited Edition mit 150 Stück gesetzt hat, das wettmachen? Na ja, ganz erwehren kann ich mich der haptischen Klappfreude, dem Reiz des zusätzlichen Artworks und thematisch passend gefärbtem Polyvinylchlorids nicht, aber der Liebhaber des Originals ist letztlich doch lauter. Das OG-Auge genießt mit, daher liegt NCV vorn.
Doch was macht die Soundqualität? Hierzu hat everstoned261 die Erwartungen hochgeschraubt, indem er auf sein Know-how im Mixing und die Vinyl-Erfahrung seines Neuabmischers Milan Mastering verweist (der auch auf dem Backcover, wie es sich gehört, genannt wird). Um es kurz zu machen: Das Remastering hat sich gelohnt. Der Lautheitspegel ist im Vergleich zur MWR-Version zwar höher, allerdings nicht auf Kosten der Dynamik. Verzerrungen oder Übersteuerungen, die bei der Audiokomprimierung durch das Pegeln auftreten können, dringen nicht in die Ohren. Bei Brettern wie „South Koast Drop“ und „Luv-4-U“ knallen Bässe und Höhen der Synthesizer-Sounds der NCV-Scheiben besser, was vielleicht auch daran liegt, dass die Tracks an zweiter und dritter Stelle der jeweiligen Platte laufen, während die Macher von MWR sie an letzte und vorletzte Stelle gesetzt haben. Das Tracklisting ist nicht zu unterschätzen, weil die Soundqualität hin zur Auslaufrille abnimmt – aber auch das gehört zu einer guten Planung im Remastering-Prozess. Aus meiner Sicht liegt also die NCV-Version auch in puncto Hörgenuss vorn.
Und was ist mit dem Bonus-Track, den nur MWR bietet? Er dauert lediglich 2:45 Minuten, trotz langer Auslaufzeit ohne Raps, und hört sich nach neuerem Datum (als 1995) an. Letzteres fällt nicht stark ins Gewicht, weil dem Album insgesamt die Konsistenz fehlt und es eher nach einem Sampler klingt. Natürlich mit Bomben-Tracks wie die bereits erwähnten. Zweimal muss man es sich trotzdem nicht kaufen. Wer sich noch für eine Version entscheiden muss, hat hier hoffentlich neue Eindrücke gewonnen.