hier ein interessantes altes KKS Interview aus dem Jahre '99.
"Es geht nicht darum, einfach wild drauf los "V***e" zu sagen, sondern einen gewissen Flavor rüberzubringen."
MK ZWO: Was genau ist eigentlich M.O.R. und was ist das Grundkonzept von M.O.R.?
Savas: M.O.R. ist einfach nur eine Crew ohne ein bestimmtes Konzept. Das Ding ist einfach, daß wir alle den selben Flav haben, die gleichen Interessen vertreten. Weil der Grundgedanke stimmt, hat es sich so ergeben.
Es war einfach logisch, weil wir sowieso schon zusammen Musik gemacht haben, sich auch gleich zu einer Crew zu finden. Wir sind da jetzt nicht so fanatisch drauf. Es ist einfach der harte Kern von Leuten, die über einen längeren Zeitraum zusammen Musik gemacht haben.
MK ZWO: Du warst früher unter dem Namen Juks bekannt. Was hat Dich dazu bewegt den Namen abzulegen und Dich Savas zu nennen?
Savas: Juks war ein erfundener Name, den ich mir mal fürs Sprühen zugelegt hatte, was künstliches. Außerdem hatte ich keinen Bock mehr auf Juks, weil es auf deutsch halt wie Jux gesprochen wird. Ich hatte keine Lust mehr auf meinen eigenen Namen. Ich heiße nun mal Savas, was sich ja auch cool zum Rappen anbietet. Das ist ein türkischer Name, den ich sehr mag und der nebenbei auch noch Krieg bedeutet.
MK ZWO: Du hast vor kurzem Deine erste eigene Maxi rausgebracht. Die ist für viele sehr kontrovers. Viele sagen auch, daß sie eindimensional (Sex /Battle) gestaltet ist. Glaubst Du, daß man sich an diesen Sachen überhören kann und es schnell langweilig wird?
Savas: Das ist ein krasses Thema für mich, weil ich jetzt bestimmt zehn Jahre lang dazu etwas erzählen könnte. Das Problem ist, daß ich nicht genau weiß, worauf ich mehr eingehen soll, die Frage selbst oder das was die Leute sagen. Mit dem was die Leute sagen habe ich bis zu einem gewissen Maß ein Problem, weil ich einfach keinen Bock habe, kritisiert zu werden. Und auch noch von Leuten die viel weniger draufhaben als ich.
Aber zum Battlezeug. Battle ist für mich einfach ein Grundzug von HipHop. Niemand muß Battlereime schreiben. Aber in meinem Fall ist das authentischste, weil es das ist, was ich fühle und womit ich meine Art am besten rüberbringe. Momentan fällt es mir schwer, dazu etwas zu sagen, weil mir so viele Gedanken auf einmal durch den Kopf schießen...
Also, ich glaube nicht, daß man sich an dem Battleshit überhören kann. Das war von Anfang an immer im Rap da. Von damals bis heute. Das gehört einfach dazu. Ich finde nur logisch was ich mache und es ist eigentlich nichts worüber man diskutieren muß. Wenn ich an Rap denke, dann denke ich daran wie jemand ans Mic stept und coolen Shit erzählt. Daß die Reime zueinander passen, die Struktur logisch ist, die Flows gut klingen und die Metaphern einfach kraß sind. Wenn man sich bei meinen Sachen die Zeit nimmt und genau und ohne Vorurteile hinhört, dann hört man genau was für ein Typ ich bin. Ich denke, 99 Prozent der MCs in Deutschland haben ihr ganzes Wissen aus irgendwelchen TV-Shows. So hört sich das an bei denen. Und bei uns ist es so, daß viel von dem wir erzählen in uns selbst wächst. Diese ganzen Sachen sind teilweise voll alltäglich und man hört genau den Charakter eines Menschen heraus. Wenn ich meine Musik höre, dann erkenne ich mich auf jeden Fall wieder. Es geht nicht darum, das Gesagte wörtlich zu nehmen. Ich laufe nicht die ganze Zeit auf der Straße herum und sage "komm her du Nutte ich fick dich jetzt tot". Aber einfach dieses schnelle, zackzack, verstehst Du. Unser Shit ist so authentisch wie nur möglich.
MK ZWO: Kann es sein, daß viele Leute damit ein Problem haben, weil Battle bisher in Deutschland hieß, bis zu einem gewissen Punkt zu gehen und Ihr aus dem Stand noch mal drei Schritte weitergegangen seid?
Savas: Mann. Eine Message an alle deutschen Rapper da draußen: 90 Prozent von Euch sind schwul, wie ich es auf meiner Platte gesagt habe. Die trauen sich nichts zu sagen. Das Problem was die mit mir haben ist kein HipHop-Problem, sondern ein deutsches Ding. Ich will das jetzt nicht so verallgemeinern, aber ihr Verhalten ist im Endeffekt einfach deutsch. Man sollte einfach deutschen Rap noch mal zerstückeln, wegbomben den ganzen Scheiß, und das Ganze von Null noch mal anfangen. Die Wurzeln aus denen das Ganze gewachsen ist sind einfach verfault. Es wurde von Anfang an auf beschissene Sachen Wert gelegt und vollkommen falsch rangegangen. Das ist unnatürlich, total verkrampft und kommt nicht aus dem Bauch heraus. Das hat nichts damit zu tun, daß wir drei Schritte voraus sind, sondern daß wir das Ding einfach so nehmen wie es ist. Wir reflektieren einfach nur uns und unsere Umwelt. Das ist Rap, davon bin ich überzeugt. Ich habe jetzt schon einige MCs gehört, die bereit sind für den Scheiß. Es geht nicht darum, einfach wild drauf los "Votze" zu sagen, sondern einen gewissen Flavor rüberzubringen. Einer der schon früher so drauf war ist auf jeden Fall Konkret Finn. Das war das erste aus Deutschland, bei dem ich mir gesagt habe, cool was der Typ macht. Ganz normal Rap. Der ist ein MC, weil er sich einfach locker gemacht hat.
Ich habe jetzt schon Sachen gehört, z.B. von Torch, der früher einer dieser krampfigen Typen war, und der sagt auf einmal in einem Track "weil deinem Mädel die Muschi brennt". Ich hätte damit überhaupt kein Problem, wenn der von Anfang an so drauf gewesen wäre. Aber diese Wichser haben uns früher alle angemacht. Ich sage jetzt nicht Torch, sondern dieser ganze Flav. Die sind zu weich für den Shit, die sind nicht konsequent, einfach nicht ehrlich zu sich. Ich will die echt nicht dissen, weil die mir mittlerweile scheißegal sind. Mich inspirieren diese Leute, diese Spacken, die HipHop mißverstehen. Fick sie alle. Ich will einfach nur Rap. Die sollen sich alle an uns orientieren und unsere Flows biten. Das werden die eh' alle machen früher oder später. Fuat macht auf türkisch heute schon Sachen, an die wird kein MC in der Türkei oder in Deutschland in zehn Jahren herankommen. Battlereimpriorität von Taktlo$$ ist den Leuten immer noch weit voraus.
Hoes, Flows, Moneytoes - dieser Grundgedanke, spontan und aggressiv. Die Leute sind echt nicht bereit für den Shit. Wenn wir so extrem sind, dann nur weil wir Rap sind und das auch ernstnehmen. Die Leute haben doch nichts besseres zu tun als in die Plattenläden zu rennen, sich die Taschen vollzupacken und den ganzen Shit auswendig zu lernen, den sie hören. Diese ganzen Musikkonsumenten sind doch total einseitig. Andererseits gibt es auch viele Leute, die cool drauf sind und die es ernst meinen. Bei Leuten aus Berlin, Frankfurt oder dem Ruhrpott sehe ich Parallelen im Umgang mit der Realität, der Roughness.
MK ZWO: Was bedeutet es für Dich, ein MC zu sein?
Savas: MCing ist ein ganz bestimmter Spirit. Es geht darum, mit dem Herzen dabei zu sein und der Sache auf eine korrekte Art und Weise "true" zu bleiben. MCing hat nichts mit Geschäftsmann sein oder gut aussehen zu tun. Das Geld, das Sponsoring, alles was mit dem Fame kommt sind schöne Begleiterscheinungen, haben aber im Endeffekt nichts mit Rap zu tun. Rap ist ans Mic zu gehen. Wenn Du es hart willst, dann geh' in einen dreckigen Keller und rappe vor irgendwelchen Assis. Denn elementar wird es erst, wenn Du nichts weiter besitzt als deine Reime. Dann bist Du ein MC.
MK ZWO: Wie würdest Du anderen Leuten empfehlen sich Deine Musik anzuhören?
Savas: Wenn ich Leuten aus meiner Crew meinen Shit vorspiele, dann wissen die sofort worum es geht. Der krasseste Song ist der, bei dem Du selbst oder andere sofort eine Gänsehaut bekommen. Der Text und die Wörter müssen einfach richtig, ja logisch, klingen. Entweder man spürt den Flavor oder nicht. "Neue Wahrheit" von Justus Jonas ist so ein Track. Das ist Rap für mich.
Aber nicht nur deutscher Rap ist Scheiße. Auch in Amerika sind 90 Prozent der Sachen Scheiße. Genauso gibt es da drüben auch MCs, wenn die ans Mic steppen, dann wird es etwas hundertprozentiges. Leute wie Acyalone oder die ganzen Project Blow Typen. Die haben einen Punkt erreicht an den ich gern einmal kommen möchte.
MK ZWO: Um noch einmal auf Deine Maxi zurück zukommen. Hast Du die eigentlich mal Deiner Mutter vorgespielt oder andersherum, weiß Deine Mutter davon?
Savas: Meine Mutter weiß vom Inhalt her schon was ich mache, denn ich habe ihr schon diverse Sachen vorgespielt. Ich feature sie, meinen Bruder und meine Schwester übrigens auf der A- Seite von "Schwule Rapper". Der Satz "Savas will keine Karriere machen. .." ist von ihr. Aber konkret die Maxi habe ich ihr noch nicht vorgespielt. Ich kann doch nicht von meiner Mutter erwarten, daß sie wie ich sehen kann. Sie ist doppelt so alt wie ich und hat in ihrem ganzen Leben noch nie HipHop gehört, also könnte sie das ganze gar nicht richtig bewerten. Sie könnte vielleicht sagen, daß das jetzt aber versaut oder jenes recht lustig ist, aber sie könnte nicht beurteilen, ob etwas wirklich dope ist. Wenn sie das könnte, dann wäre mir aber auch egal, ob sie es enttäuschend oder zu kraß fände. Manchmal nervt sie schon und sagt, spiel doch mal was vor. Wobei, meiner Mutter würde ich es schon vorspielen, aber meinem Vater bestimmt nicht. Vielleicht wenn ich nicht dabei bin und Augen und Ohren verschließe.
MK ZWO: Ist Dein Vater da härter?
Savas: Nein, meine Eltern sind nicht hart. Aber sie haben ein ganz anderes Weltbild. Ich will lieber, daß sie sehen, daß ich kleine Erfolge habe und sagen, "Oh mein Sohn hat eine Platte gemacht". Ich finde gut, wenn sie das wissen, weil das ihnen sicher auch gut tut, zu sehen, daß ich ein bißchen was auf die Reihe bekommen habe.
MK ZWO: Hattest Du eigentlich eine schwere Kindheit?
Savas: Ja.
MK ZWO: Was geht Dir eigentlich so durch den Kopf wenn Du siehst, daß ganz Deutschland Deine Maxi, sei es jetzt als Original oder Kopie, kennt und erstmal in Bewegung ist?
Savas: Ich bin einfach glücklich wenn Leute zu mir ankommen und sagen, der Shit ist dope. Das ist einfach der Hammer fürs Ego.
MK ZWO: Du bist ja ziemlich Westcoast beeinflußt...
Savas: 100 Prozent! Weil ich die Westcoast liebe. C.M.W. habe ich geliebt. Too Short habe ich vergöttert. Vielleicht kommt mein versaute Flavor daher. Ich liebe die Westcoast, war selber auch schon da und habe die Leute ein bißchen kennengelernt. Das waren Typen die HipHop gelebt und geliebt haben. Diese ganzen Nebenerscheinungen von Rap hatten für die überhaupt keine Bedeutung. Diese New Yorker erzählen echt nur Scheiß mit dem ich zum größten Teil nichts anfangen kann. Die leben mir zu extensiv. Auf dem letzen Album von Grouch hingegen findest Du tausend interessante Sachen. Die sind einfach so offen an der Westcoast. Ich bin nicht so ein Poet wie die, aber wenn ich so offen und frei sein könnte, dann würde ich das machen. Ich bin einfach beschränkter als die. Das meine ich nicht im Sinn von behindert, sondern als Gefühl zu sich selbst. HipHop ist doch eine einzige Nabelschau. Es sollte eigentlich immer so sein, daß die Leute Dein Zeug hören und für den Moment einfach Du sind.
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