Zum Thema (auch wenn ich nicht für den Lokalrivalen übrig hab natürlich):
Vor dem DFB-Pokalspiel gegen Bayern (Sonnabend, 20.26 Uhr, Millerntor) wird er in vielen Medien wiederbelebt, der Mythos, der den FC St. Pauli seit ca. 20 Jahren umgibt.
HAMBURG -
Stets geht es um den "etwas anderen Verein", den "Kultklub vom Kiez", dessen Fans (links-)politisch korrekt eine große Party feiern und Stimmung entfachen, die bundesweit ihresgleichen sucht. "Das ist der Mythos FC St. Pauli, den wir schon hundertmal begraben haben", sagt Marcus Lindenau (33), seit 1986 Dauergast bei seinem Klub.
Früher, als in der Hafenstraße noch Häuser besetzt wurden und die linke Szene den Verein für sich entdeckte, wurde auf den Rängen des Wilhelm-Koch-Stadions revolutionäres Gedankengut ausgetauscht. Heute hat das transportierte Bild mit der Realität nicht mehr viel gemein. "Die Gründe dafür, dass St. Pauli anders als andere Vereine ist, liegen zehn bis 15 Jahre zurück", glaubt auch Lindenau, der sich kritisch mit Verein und Fans auseinandersetzt. Doch die Zeiten sind vorbei. Der Idealismus geriet zum Verkaufsschlager. Totenkopf, Kuba-Look und sozialistische Symbole wurden von Marketingstrategen ausgeschlachtet. "Irgendwann haben die Verantwortlichen erkannt: Aus dem Polit-Sumpf kann man Kapital schlagen. Deshalb ist das ganze Anti-Kommerz-Gerede nur noch lächerlich", findet Lindenau, denn: "St. Pauli ist neben Bayern und Dortmund der kommerzialisierteste Klub Deutschlands. Die jungen Fans schwimmen ebenfalls auf der verkehrten Welle. Die, die sich Ultras nennen, die politische Fahne hochhalten und sehr extrem sind, setzen sich in ein Nest, das andere gebaut haben. Viele meinen, nur weil sie ein Che-Guevara-Shirt anhaben, machen sie Revolution im Kinderzimmer."
Auch Sven Brux, der ehemalige Fanbeauftragte, mittlerweile als Sicherheits-Chef am Millerntor tätig, hat eine Veränderung der Fanszene registriert: "Die Zeiten sind halt andere. Auch im Stadtteil. Und unser Publikum ist ein Spiegel dessen. Die Gesellschaft ist unpolitischer geworden. Da, wo früher Revolution war, ist heute Galão (portugiesischer Milchkaffee, d.Red.)", spielt er auf die "Yuppiesierung" im Viertel an. Ein Prozess, der sich auch auf die Atmosphäre im Stadion niederschlägt. Besonders auffällig immer dann, wenn die gegnerische Mannschaft einmal mehr als nur ein paar Hundert Fans mitbringt. "Wenn 3000 Berliner unser eigenes Haus rocken", führt Lindenau das letzte Heimspiel gegen Union an, "dann muss ich mich als Fan doch wehren. Sonst habe ich auf der Gegengerade, wo zu viele alte Säcke und fußballfremde Studenten stehen, nichts verloren. St.-Pauli-Fans haben ihre Ehre verloren." Die einst gefürchtete und berüchtigte Tribüne hat an Wirkung eingebüßt. "Es gibt eine Vergreisung der Gegengerade", erklärt Brux, "Leute, die dort früher aktiv waren, sind älter und ruhiger geworden, geben ihren Platz aber nicht auf."
Viele Fans sind genervt, kritisieren die Doppelmoral mit Polit-Hype und Kommerz. Einige, wie Brux bestätigt, haben dem Verein bereits den Rücken gekehrt, Lindenau ist kein Einzelfall wenn er sagt: "Es ist nicht zeitgemäß, dass wir alles zwanghaft anders machen müssen. Wenn ich unsere neuen Trikots sehe, frage ich mich: Sind wir ein Fußballverein oder Tom Tailor II? Wollen wir anders sein, weil wir ein achteckiges Feld haben? Wir sind anders, weil wir sind wie wir sind."
Das "Freudenhaus der Liga" ist in die Jahre gekommen, der Kult im Fanshop gegen Bares verkauft. "Wenn man hier genauer hinsieht, bleibt nur wenig Kult über", sagt Lindenau und Brux pflichtet ihm bei: "In vielen Dingen sind wir ein ganz normaler Verein geworden."
http://www.abendblatt.de/daten/2006/09/07/607810.html
Hätte von mir sein können, der Artikel