Saigon – The Greatest Story Never Told
Fast hätte sich der Titel von Saigons Solodebütalbum selber bewahrheitet: Von der ersten Ankündigung an bis zum tatsächlichen Release vergingen nicht weniger als sieben lange Jahre der Warterei, der Verzögerungen, der geplatzten Deals und der Streitereien, die jetzt wieder beigelegt zu sein scheinen. Damit reiht sich “The Greatest Story Never Told” ganz leicht in die Top 3 der “heiß-erwarteten-aber-bis-zur-Unendlichkeit-herausgezögerten-Alben” der letzten 10 Jahre, mit Raekwons “Only Built 4 Cuban Linx Pt. 2″ ebenfalls mit dabei und Dr. Dres “Detox” als unangefochtene Nummer 1, weil dieses eben noch nicht draußen ist. Doch zurück zu Saigon. Hat sich das lange Warten gelohnt und bewahrheitet sich der oft bemühte Spruch “Was lange währt, wird endlich gut”?
Oh ja, und wie, denn “The Greatest Story Never Told” ist, soviel sei schon gesagt, ein nahezu perfektes, so ziemlich makelloses Album geworden, ein Rundumpaket allererster Güteklasse, das eigentlich niemand so wirklich richtig nicht mögen kann, es sei denn er hasst Rap, und insbesondere den der Ostküstenprägung, wie die Pest. Die Vorstellung eines Albums als in sich geschlossenes und wohl durchdachtes Werk wurde bis zum letzten vorbildlich durchexerziert, die Tracks greifen musikalisch wie manchmal auch inhaltlich sehr fließend ineinander über, unterstützt von bisweilen passenden Skits, was eine großartige, mitreißende Hördramaturgie erzeugt. Dabei ist man sich auch nicht zu schade, ein wenig über die Stränge zu schlagen, und einigen Anspielstationen im Stile großer Hymnen auch die nötige Zeit zum Scheinen zu geben. Musikalische Eloquenz quasi, wunderbar aufgebaut mit Bridges, kurzen instrumentalen Parts, nur um nochmal die Hook zum Besten zu geben, sowas ist man sonst nur vom Rock gewohnt. Da werden schon hier und da mal die 5- und 6-Minuten Grenzen gesprengt, währen viele weitere Tracks erst bei 4 einhalb Minuten Schluss machen. Bei 17+1 Tracks und einer Laufzeit von 80 Minuten, ein Monstrum von einem Album, bei dem es Songs gibt, die die Bezeichnung auch wirklich verdienen.
Das musikalische Niveau bleibt dabei ununterbrochen hoch. Just Blaze zeichnet sich für die meisten Produktionen verantwortlich und bekam noch etwas Schützenhilfe von Kanye West, Red Spyda und auch Buckwild hat mitgeschraubt. Gemeinsam schuf man einen mehr als zeitgemäßen wie auch schon jetzt zeitlosen Sound, der gleichermaßen in die Vergangenheit der glorreichen 90er Jahre des New Yorker HipHops weist, wie auch mit beiden Beinen fest im Jetzt verankert ist. Straighten Boom-Bap gibt es auf die Ohren, mit viel Liebe und Abwechlungsreichtum mit reichlich Soul, schönen Pianoläufen und Streichern und insgesamt sowieso sehr melodiös und positiv glasiert. In dieser musikalischen Grundstimmung passen dann auch die vielen Gesangsparts in den vielen Hooks des Albums, sei es die großartige Faith Evans, die bei “Clap” gleich noch von einem Chor unterstützt wird oder Marsha Ambrosius, die “It’s Alright” zusätzlich veredelt, die Gesangselemente sind die Kirsche auf dem Sahnehäubchen und legen dem ohnehin schon tollen Sound nochmals eine Schippe Soul rauf. Auf das Heute weisen u.a. wiederum solche Hymnen wie “Bring Me Down Pt. 2″ oder “Believe It”, deren Drumprogrammierung gleich wieder ein wenig moderner klingt und im Falle von “Believe It” wird sogar der an sich verhasste Autotuneeffekt ausgepackt, der sich aber ertaunlicherweise sehr harmonisch ins Gesamtbild einfügt, da man durch den Aufbau des Albums auch als Skeptiker behutsam an diesen Punkt herangeführt wird. Hype hin oder her, hier interessieren nur große Songs.
Saigon selber tat gut daran, bei der Klasse seiner ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen eine mindestens ebenbürtige Performance abzuliefern. Ein durch und durch kompletter MC, der über die richtige Stimme und Delivery verfügt, dessen Flow niemals enden will und der darüberhinaus auch etwas mitzuteilen hat. Feinstes Stroytelling hat er anzubieten, wie z.B. bei “Friends”, ‘Me-against-the-world’ Parolen bei “Bring Me Down Pt. 2″ und er macht hier und da auch das ein oder andere Anliegen deutlich, wie z.B. beim Titeltrack: “All we want back is crack, some more gats and some more of that bullshit rap/ The crime rhyme is still black on black/ And we need a leader like me to get us back on track/ When y’all make them diss records do you know what you doin to black community?/ Market and promote the fact that we lack unity/ Them white people look at you and laugh/ You look like a porch monkey boy dancin for cash/ Wanna get on a record and talk trash/ See him at the awards and don’t do shit but walk past/ And that, that’s somethin we call CRASH/ Coward Rappers Actin So Hard, when they really just all ass”.
Mit einer straighten und hörbaren No-Bullshit-Attitüde, die sich sowohl lyrisch als auch musikalisch manifestiert, und einer großartigen Konzeptionierung der ebenso starken, sehr homogen klingenden Songs, kann ruhigen Gewissens gesagt werden, dass “The Greatest Story Never Told” das lange Warten aufs Fürstliche belohnt hat. Ein von vorne bis hinten großartiges, wie schlüssiges Album, dessen Teile sowohl einzeln als auch in ihrer Gesamtheit funktionieren und dessen wenige, ausgewählte Gäste (u.a. Jay-Z und Bun B.) nicht mal eine Sekunde lang davon ablenken können, wer hier fest die Zügel in der Hand hält. Saigon spuckt sich in die seelische Freiheit und liefert Musik, die sowohl der älteren als auch einer jüngeren Generation munden kann und setzt sich damit ganz offiziell selbst ein Denkmal, das auch nach mehreren Komplettdurchläufen einfach nichts von seiner Güte einbüßen will. Auch wenn die Zeit dieser Scheibe vielleicht ein anderes Schicksal zuteil werden lässt, so soll es an dieser Stelle trotzdem ausgesprochen sein: Alles an diesem Album brüllt nach Klassikerstatus.
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