R.A. The Rugged Man
“Ach, gegen den Verkauf von Hip-Hop hab ich gar nichts, was ich hass’ ist der Verkauf von falschen Images.” (Stieber Twins – Fenster zum Hof).
Müde der ewigen Phrasendrescherei bin ich und ebenso wenig auf der Seite irgendeiner selbsternannten HipHop-Polizei. Genauso wenig möchte ich hier mit der Moralkeule schwingen oder irgendwelche Leute auf die Anklagebank verbannen; noch bin ich daran interessiert unbedeutende Sachen großartig aufzubauschen, schon gar nicht wenn das im Sinne des ärgernisses zu sein scheint. Nur frage ich mich nach dem Abend des 9. Mais ernsthaft wie weit ein Rapper sein Image nötig hat auszubauen und wie weit er im Rahmen von diesem gehen darf?
Aber lassen wir diese Geschichten dort wo sie hingehören und kommen wir erst einmal zum erfreulicheren Teil des Abends – dem Musikalischen.
Den lassen wir gegen 21 Uhr beginnen als ich ankam und noch den Rest von Dj Q-Fingaz’ gewohnt guten Sets mitbekam. Gleich darauf betrat Dos Noun das, trotz des Eintritts von 12,- noch recht leere, Radio Oriente.
Anlässlich seines Aufenthaltes in der Fächerstadt beschloss der Pittsburgher Rapper ein kurzes Gastspiel zu geben um allen die in auf seinen schon Monate dauernden Rucksacktouren durch Europa noch nicht live erleben durften einen kurzen Eindruck seiner Musik zu vermitteln. Gesagt, getan, mit DJ Waxwork am CD-Player schaffte er es den Leuten seine Musik näher zu bringen und stand, in LivingLegends-Hoodie, beim abschließenden freestylen seinem Ruf in nichts nach.
Um kurz nach 22 Uhr wurde das Mikrofon dann an Reef the Lost Cauze übergeben. Der massige Mann aus Philadelphia begann seine Show mit “Commander In Chief” und entsprechend seiner Statur schrie er seine Reime förmlich den mittlerweile vor der Bühne versammelten Zuschauern entgegen. Während der nächsten 30 Minuten wurde sein aktuelles Album “Feast of Famine” repräsentiert und auch mit seinem Werk noch nicht vertraute Leute, zu denen ich mich zähle, hatten nach der Show einen durchaus positiven Eindruck davon.
Mit C-Rayz Walz kam anschließend wieder ein etwas leichterer Flow auf die Bühne und trotz seines sichtlich berauschten Zustandes lieferte der Suncycle MC eine sehr energiegeladene Show ab. Liedern seines aktuellen Longplayers, “”Year of the Beast”, folgten Songs seines 2003er Albums “Ravipops”. Allen voran natürlich “Guns and Butter” sowie “Buck 80″, bei dem der NewYorker-Rapper gekonnt von Freestyle zu eigentlichem Song wechselte und so wieder einmal unter Beweis stellte dass er nicht umsonst als Freestylecoach bei MTV Made fungiert hatte. Alles in Allem lieferte er einen sehr guten Auftritt ab dem es nicht an Wortwitz und Spontanität fehlte.
Nach C-Rayz’s, noch von ein paar dümmlichen Zwischenrufen begleitetem, Abgang, bahnte sich RA the Rugged Man mit Pizzakartons unterm Arm ohne Rücksicht auf Verluste einen Weg durch die Menge und sprang auf die Bühne. Dort stand er in seiner imposanten Größe und einer ebenso großen Anzahl von Kleidern auf dem Leib und forderte erst einmal Applaus für die vorhergehenden MC’s. Nach selbigem schien er seine menschliche Schwäche dadurch wieder wettmachen zu wollen indem er den Soundman theatralisch beleidigte und das Publikum mit Pizzakartons bewarf, bevor er wieder zu seinem eigentlichen Job, dem spielen von “Lessons”, zurückkam.
Während seiner Show suchte RA immer wieder den Kontakt zum Publikum, wobei er, trotz dieser sympathischen Eigenschaft, seinen von Anfang an schon sehr kontroversen Eindruck weiterhin bekräftigte indem er abwechselnd die Leute beschimpfte und sie dann wieder beispielsweise auf die Shirts die sie trugen ansprach. Auch den für seine Show wohl leider obligatorischen Tritt bekam wieder ein Besucher in der ersten Reihe ab, der aber, wenn man so was überhaupt zu Ruggedmans Entschuldigung vorbringen darf, einsam vor der Bühne stand und fast schon provokativ mit seinem Handy filmte. Die anschließend herrschende aggressive Stimmung im Publikum ließ ihn jedoch nicht aus dem Konzept kommen, vielmehr nahm er das zum Anlass den Leuten Ahnungslosigkeit in Sachen Rapgeschichte vorzuhalten und selbst sein fundiertes Wissen unter Beweis zu stellen, wobei er es auch an Respektbekundungen der alten Schule gegenüber nicht fehlen ließ, die er dann noch musikalisch in Form von “On the Block” zum Besten gab.
Anschließend gab es ein paar ältere Lieder wie “Stanley Kubrick”, aus seiner Rawkus-Zeit, und “Every Record Label Sucks Dick”, aus der Zeit davor in der er noch unter dem Namen Crustified Dibbs bekannt war. Letzteres sehr zum Amüsement einer Handvoll Leute die auch ausgiebig mitsang.
Im Laufe des Abends nahm RA’s Kleiderberg dann auch immer mehr ab bis gegen Ende nur noch ein leicht übergewichtiger, schwer behaarter Mann in Deutschland-Hosenträgern und Tarnhosen auf der Bühne stand und das auch nicht lange denn ehe man sich versah war er mitten unter den Leuten und begann dort zu wüten. Mit einem verstört wirkenden Zuschauer im Schwitzkasten sprang er dabei rappend in der Menge rum und ehe man wusste was geschah war er schon wieder auf der Bühne, breakte kurz und ließ sich dann brüllend von der Menge applaudieren. Punkt Mitternacht endete sein Auftritt und die 4 Rapper begaben sich zum Ausgang wo sie an Tischen ihre Merchandise-Sachen und CD’s feilboten. Neben einer ganz ansehnlichen “Best of C-Rayz”-Mix CD (die auch seine 3 Videos beinhaltet !!), konnten Shirts von Ruggedman, die aktuellen Alben beider Rapper, 2 CD’s von Reef und Dos Noun’s aktuelle CD, sowie eine 12″ erstanden werden. Ruggedman gab sich bedacht freundlich, entschuldigte sich auch fürs lange Warten bei einigen der zahlreichen Käufer, war sofort bereit Fotos zu machen und zögerte anschließend genauso wenig den vorher schon niedergetretenen Jungen Mann auf seine wiederholten Aufforderungen sich doch einmal bei ihm zu entschuldigen direkt ins Gesicht zu schlagen. Nach einem kurzen Handgemenge mischte sich C-Rayz auch noch schlagfertig ein und das ganze endete als RA eine Flasche und einen Barhocker auf die Menge warf.
Als ich zusammen mit den restlichen Zuschauern von Reef, dem selbsternannten “Piecemaker”, und DJ Illegal aus dem Club komplimentiert wurde, war es kurz nach Eins.
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