Flagship Records
Volume 5 der “Area Codes”-Reihe ist seit einigen Wochen zu haben – höchste Zeit also, den Mann hinter der Städteserie und Flagship Records einmal etwas ausführlicher zu befragen. UnLieutenant über das aktuelle Projekt, geplante Albumreleases und seine ganz persönliche Vision eines neuen Sounds für Deutschland.
Area Codes Tennessee ist kürzlich erschienen – wie läuft das Geschäft bisher? Zufrieden?
Wahrscheinlich sollte ich mich jetzt ein bißchen hypen, oder so? Ne, ich bin eigentlich schon zufrieden. Das war jetzt aus dieser Area Serie das, was am besten weggegangen ist. Ist ja jetzt erst drei Wochen draußen und es ist besser gegangen als die anderen bisher. Ich gehe an die ganze Sache ja nicht so ran, dass ich großen Gewinn machen will. Ich will die Produktionskosten wieder reinkriegen und vielleicht ein bisschen extra machen. Und das ist auf jeden Fall bisher auch bei allen so gewesen. Es hat schon mit “Was zum Rollen” so angefangen, dass die Produktionskosten wieder reinkamen – und das reicht mir auch, geldtechnisch. Und ansonsten verbreite ich damit ja nur die Musik ein bisschen, die ich selbst feiere.
Wieso ist es besser gelaufen diesmal, habt ihr mehr Werbung gemacht?
Ich glaube dass hängt damit zusammen dass das einfach so ein bisschen den Nerv der Zeit getroffen hat. In Deutschland, so würde ich das jedenfalls sehen, gibt es ja diese Spaltung: die einen hören nur Deutsch-Rap, die anderen hören nur Ami-Rap – von den Vielen die hauptsächlich Charts hören jetzt einmal abgesehen. Und gerade diese Memphis/Tennessee-Style ist so ein bisschen die Brücke meinem Eindruck nach. Viele Leute im deutschen Underground, gerade hier in Berlin, sind davon beeinflusst, die hören ja selbst das ganze Buck-Zeug. Und deshalb haben einige wohl auch das Tape gekauft, die sonst keinen Ami-Rap hören oder die die anderen Sachen einfach nicht interessiert haben. Ich glaube das liegt speziell an dieser Region. Ein bisschen mehr Werbung haben wir zwar auch gemacht, aber auch nicht unbedingt überproportional.
Wie lange habt ihr jetzt insgesamt gearbeitet an dem Ding? Das war ja schon ein bisschen länger angekündigt…
*Lacht* Ja, seit einem Jahr ungefähr. Die Area Codes mache ich ja alleine, SQ6 hält sich da eigentlich komplett raus, von Area Codes Deutsch jetzt einmal abgesehen. Ich habe ungefähr zwei Wochen gemixt, muste dann aber noch das Cover machen, Shoutouts einholen – dann kam doch noch von C-Rock ein Track, der dann auch wieder eingearbeitet werden musste. Deshalb zieht sich das so lange hin. Und abgesehen davon befinde ich mich gerade in der Endphase meines Studiums, da kann man leider nicht so viel Zeit investieren wie man vielleicht gerne würde.
Wie pickst du die einzelnen Tracks? Geht das alles nach persönlichem Geschmack oder gibt es da irgendwie ein anderes System? Es ist ja schon sehr einseitig, vor allem die Get-Buck/Get-Crunk-Sachen eben – und sehr wenige düstere Songs, was ja eigentlich sehr typisch ist vor allem für Memphis, das fehlt ja völlig.
Auf jeden Fall. Die letzten zwei, drei Songs auf der ersten CD gehen vielleicht in diese Richtung. Es geht echt nach dem persönlichen Geschmack. Gerade bei den Area Codes, weil ich die alleine mache, entscheide ich das danach, ob ich den Track selbst feiere. Es ist mir so über die Jahre aufgefallen: es kommt mir sehr viel auf den Beat an, die Produktion steht für mich im Mittelpunkt beim Rap. Dann, fast gleichwertig, der Flow und dann erst der Inhalt. Ich mag vor allem Songs, die etwas über die Stadt und die Region erzählen und aussagen, wie die Leute da ticken. Sei’s jetzt der Slang, den die Leute aus einer bestimmten Region natürlich immer haben oder sei’s dass die was darüber erzählen in welche Spots man am Wochenende geht. Oder jetzt auf Memphis bezogen: wir machen den Buck Jump und Gangsta Walking. In anderen Städten ist es wieder anders – dieses geographische, das feiere ich. Das Düstere am Memphis-Sound ist nie mein Ding gewesen, das hat mich einfach nicht so mitgerissen. Obwohl ich natürlich weiß, dass es das ist, womit die Stadt bekannt geworden ist, weshalb ich es auch nicht ganz rauslassen wollte.
Das heißt: die einzelnen Volumes funktionieren wie eine Lupe, du zoomst verschiedene Regionen heran und schaust, was die Leute da zu erzählen haben?
So versuche ich das auf jeden Fall. Es war schon immer so, dass mich der Aspekt an Rap an meisten interessiert hat. Einerseits war Rap sicher immer ein bisschen Aggressionsabbau, so hat das angefangen in der Jugendzeit, richtig in die Fresse rein, wo man mitgehen konnte wenn man scheiße drauf war und sich Fick-die-Welt-mäßig gefühlt hat. Und das andere war eben dieses regionale Element, dieser Ausdruck einer
bestimmten Mentalität, die sich in der Musik widerspiegelt. Nicht von ungefähr ist die Musik aus verschiedenen Städten rap- und produktionstechnisch und natürlich inhaltlich sehr unterschiedlich. Da merkt man wohl ein bisschen, dass ich Geographie studiere. *lacht*
Wieso hast du dich für ein Doppel-CD-Format entschieden? Prinzipiell wäre es ja bei nur einer CD möglich sich mehr Regionen vorzunehmen…
Es hat ja angefangen mit dem Louisiana-Tape, das war auch schon eine Doppel-CD. Da hatte ich eine CD fertig und dachte, das wäre jetzt das Tape. Und dann habe ich auf einmal gemerkt: da sind noch so viele, vor allem ältere Songs die da noch drauf müssten. Also habe ich einfach noch eine zweite CD gemacht, deswegen ist das bei dem Louisiana Tape so zeitlich geordnet. Auf der ersten CD mehr die älteren Tracks und auf der zweiten dann die neueren Sachen. Ich fand’s cool, auf zwei CDs kann mehr einfach mehr Musik draufpacken und auch von der Stimmung her mehr mit arbeiten. Jetzt bei Tennessee ist die erste Cd ein bisschen crunker und die zweite mehr smoother Pimp-Shit für’s Auto. Bei den Area Codes davor war es so, dass ich nur neue Tracks drauf gemacht habe, so hat das angefangen. Das Southern California hatte ich eigentlich nur für mich gemacht, für den Privatgebrauch, ein Update: was gibt’s Neues in Kalifornien? Und so habe ich bei den nächsten zwei noch weitergeführt, also eher neuere Tracks, was für mich immer noch heißt dass sie nach 2000 aufgenommen wurden. Und für Louisiana und Tennessee habe ich jetzt eben auch ältere Sachen mitgenommen. Bei diesem geographischen Ansatz muss man natürlich auch die Geschichte mit reinnehmen. Natürlich weiß ich auch, dass mir das nicht umfassend gelungen ist. Ganz einfach weil ich nicht zu jeder Region das krasse Wissen habe wie die richtigen Freaks. Gerade bei Memphis gibt es ja die Freaks, die schon die Underground-Tapes gesammelt haben und natürlich auch die ganze Geschichte kennen. Das weiß ich natürlich nicht – aber ich versuche schon, die Geschichte ein bißchen mit reinzubringen.
Gerade weil das C-Rock Exclusive noch so spät reingekommen ist: wie schwierig ist es generell an so ein Exclusive zu kommen, was hast du da für Erfahrungen gemacht? Oder direkt gefragt: hast du gezahlt?
Ne, auf gar keinen Fall. Ich habe was das angeht für keines der Mixtapes etwas bezahlt. Das lief alles auf Gefallensbasis. Die Künstler wollen ja selbst Promotion haben. Bei Amis ist es doch ziemlich schwierig, Exclusives zu bekommen. Für die Puddah Radios, die wir ja auch machen, ist es fast noch einfacher, da hat man mit dem Shop natürlich ein starkes Argument. Bei C-Rock war’s jetzt so, dass es ein Track von seinem kommenden Album ist, der wurde also nicht speziell für uns aufgenommen. Der Kontakt kam über Turbo D von den Zombee Killaz aus Oldenburg zustande, die bringen ja sein Album raus. Smoke hat ja auch einen Promoter in Deutschland: Bobby von Op Tec Entertainment. Deren Logo kann man auch in unserem Booklet sehen. Der hat uns einen Shoutout klargemacht. Und ansonsten: myspace.
Viele Leute fanden das Tape ja überragend – ich fand’s auch gut, um Missverständnisse auszuschließen… gab’s auch Leute die direkt heraus gesagt haben: totale Scheiße?
Totale Scheiße bisher noch nicht. Klar, manche hatten Kritik an der Trackauswahl, gerade was das düstere Zeug angeht. Aber, was mich gefreut hat, am Mixing selbst gab’s eigentlich keine Kritik. Wobei das ja auch so eine Sache ist. Es sind ja keine Scratches drauf, also ist es wohl eher ein Blend. Aber ansonsten eigentlich echt positives Feedback. Mich hat auch gefreut, dass die Leute sowas supporten, wo man sich heutzutage ja auch alles downloaden kann. Es gibt noch echte Musikliebhaber, die es zu schätzen wissen, dass sich Künstler, DJ, was auch immer die Mühe gemacht haben.
Hörst du auch selbst Mixtapes oder machst du die Dinger nur, weil’s im Moment einfach noch zu schwierig ist ein komplettes Album einzuspielen oder zu finanzieren? War das anfangs so etwas wie ein Notnagel?
Notnagel würde ich so nicht sagen. Als wir die Idee hatten Mixtapes zu machen, haben wir noch nicht überlegt dass SQ6 Beats macht oder dass wir ein exklusives Album aufnehmen wollen. Wir wollten eigentlich nur etwas haben, was wir selbst im Auto hören konnten. Ich hab schon sehr lange Sampler auf Kassette gemacht. Was früher ja viele gemacht haben: damals konnte man ja noch CDs ausleihen in den Läden, also CDs ausgeliehen und die Tracks die ich gefeiert habe auf Tape gemacht. Natürlich ohne Mixing und alles, da waren dann auch alles vertreten von MC Hammer bis Snap. *lacht* Und ein bisschen hat sich das dann in Richtung der Mixtapes weiterentwickelt, wie wir sie heute machen. Ein Hauptproblem bei einem Album ist es auch, Beats zu haben. Es gibt natürlich viele Beatmacher und SQ6 produziert ja auch – aber ein ganzes Album lang durchgehend richtige Bretter zu haben finde ich dann irgendwie doch schwierig. Die exklusiven Features wären zumindest in Deutschland wohl kein Problem mehr, da hätte ich mittlerweile die Connections, um die Leute drauf zu holen, die ich cool finde. Das nächste Area Codes Deutsch würde wahrscheinlich auch so funktionieren. Exklusive Beats, exklusive Raps.
Wer wird da am Start sein und wann kommt’s?
Es steht noch in den Sternen wann das rauskommen wird. Ich habe schon zwei, drei Tracks die ich einfach mal so mit Leuten aufgenommen habe. Aber es gibt momentan weder ein konkretes Konzept noch ein Release Date. Was ich gerne machen würde und auch noch mit SQ6 besprechen muss: noch mehr auf das Regionale fokussieren. Wir hatten auf dem letzten Area Codes Deutsch Mixtape eigentlich auch Leute aus allen Regionen. Wir hatten den Leuten aber nicht gesagt, dass wir eigentlich gerne so einen richtigen Area Code Rap haben wollten. Und das würde ich den Leuten beim nächsten Mal auf jeden Fall nahe legen und das Konzept erklären. Die haben natürlich künstlerische Freiheit, aber sie sollten sozusagen ihre Region in Deutschland vorstellen. Es ist zwar nicht so krass wie in Amiland mit den regionalen Unterschieden, aber es gut auch hier definitiv Unterschiede. Vom Style, von der Sprache her. Ich erinnere mich zum Beispiel an einen Track von Pretty Mo aus München von vor ein paar Jahren zur Zeit der größten Berlin-Rap-Welle, wo alle auf Atze gemacht haben. Da kam der auf einmal mit einem Müncher Rap: hier in München tragen alle Lacoste und Dolce & Gabbana und wir sind einfach nur zu arrogant für die Welt. Das war Münchner Style, das habe ich gefeiert. Und so könnte ich mir ein neues Area Codes Deutsch vorstellen. Dass einfach jeder seine Region representet.
Und was ist euer nächstes Projekt?
Also was jetzt wirklich ansteht und auch diesen Sommer rauskomm soll ist das Album von Ace mit dem Titel “A Piece Of The Great”. Ace ist ein Rapper aus Berlin-Siemensstadt der früher bei Shok Muzik war, auf englisch gerappt und schon immer sehr schnelle Raps gebracht hat, Tongue Twists eben. Ich habe ihn über einen Kumpel kennengelernt, er meinte erst, ob wir nicht irgendwann einfach ein Underground Album rausbringen wollen. Das hat sich mittlerweile so weiterentwickelt, dass es gar nicht mehr so “underground” ist sondern eben sein Debütalbum. Mit exklusiven Beats und vielen Features aus Amiland, Frankreich und Deutschland. Sandman wird dabei sein, Twisted Insane – der überraschenderweise auch was Exklusives aufgenommen hat; aus Frankreich sind Les Sales Blancs am Start, Dogg Master hat auch zwei Beats gemacht – und aus Deutschland Megaloh, Tua und noch ein paar mehr. Das Album ist zur Hälfte fertig, ein Vorab-Cover gibt’s auch schon und es soll außerdem ein Video geben, Ace hat sich da eine kleine Video Company in Berlin ausgekuckt. Und dann müssen wir einfach sehen, dass das ein bisschen promotet wird, am besten mit Juice Artikel und allem drum und dran. Für mich war dieser Prozess von der Arbeit des Künstlers bis zum Konsumenten der das Ding kauft sehr interessant und neu. Was da alles abläuft: die ganze Promotionmaschine, Vertriebssuche, Versuchen in die Magazine reinzukommen, online irgendetwas machen. Wenn’s keinen Vertrieb gibt selbst die Werke kontaktieren und alles im Eigenvertrieb hochziehen. Gerade die Politik, die dahintersteckt, wer jetzt tatsächlich in den Magazinen drin ist, halte ich für schwer durchschaubar.
Es sind ja noch andere Sachen angekündigt – wer ist zum Beispiel Prophecy?
Prophecy ist ein Junge aus Bonn, wo SQ6 und ich ja auch herkommen. Er ist halb Iraner, halb Türke – und er war auch schon auf Area Codes Deutsch mit einem Track zu hören. Macht auf jeden Fall Hammermucke, ich finde er ist ein großes Talent und deswegen habe ich mit ihm auch ein Album ins Auge gefasst. Es gibt da noch kein konkretes Datum, aber es würde wohl was anderes werden als Ace’ Album. Mehr Strasse, Geschichten aus dem Leben einfach. Er hat auf jeden Fall was zu erzählen.
Dann steht da im Booklet noch “Sau Langsam auf Blunts” … ein Screw-Tape?
Oh, ich glaube das ist seit mindestens vier Jahren angekündigt. *lacht*
In bester No-Limit-Manier erst mal alles ins Booklet packen und dann schauen was passiert?
Als wir damals auf dem krassen Screw-Film waren, haben wir etliche Tracks auch selbst gescrewt. Die zweite CD von Hidden Tracks war ja auch runtergeschraubt. Damals wollten wir wirklich sehr schnell ein ganzes Screw-Mixtape rausbringen. Es hat sich jetzt immer weiter nach hinten verschoben, aber wir haben den Plan noch nicht ganz aufgegeben.
Ist die Begeisterung noch da?
Nicht mehr ganz so. Ich habe wirklich eine Zeit lang, vor allen nachdem ich in Houston gewesen war, nur Screwed Music gehört. Swishahouse, Beltway 8 – habe ich mir alles gegeben. Es passte damals auch voll zu unserem Lebensstil. Mittlerweile ist das aber alles ein bisschen abgeklungen.
Du bist ja von Haus aus eher Westler…
Ja, das hast du richtig erkannt. Mein Traum wäre es – auch für Area Codes Deutsch 2 – das wir mal was ganz anderes machen, was es in Deutschland so noch nicht gab, nämlich: krasse Westcoast-Beats. Es gibt ein paar Produzenten die das auf jeden Fall drauf haben. B-Lash oder Superfunk von 187 Beatz, Jambeatz aus Hamburg oder Lord Rox von Trigga Music. Die können Beats machen – das erinnert mich an alte Chronic-Zeiten. Das würde ich wirklich mal gerne machen…
Kalifornien ist ja auch groß, was schwebt dir da so vor? Eher der Frisco-Sound oder mehr Richtung LA?
LA auf jeden Fall. Irgendwo zwischen G-Funk und den alten Cube-Sachen. Darf nicht zu krachig werden, “Wicked” zum Beispiel war hart an der Grenze…
… aber geil…
… auf jeden Fall! *lacht* Aber auf alle Fälle Südkalifornien. Ich würde dann auch gerne mit den französischen Rapper und Produzenten Aelpéacha von CSRD zusammenarbeiten. Die Franzosen sind uns in diesem Bereich ja sowieso krass voraus, was die da im Westcoast-Stil aufgebaut haben. Diese Szene ist vielleicht vergleichbar mit diesem düsteren, memphis-orientierten Sound den es ja wie bereits erwähnt in Deutschland momentan viel gibt.
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