Cilvaringz – I
Dieses Album war verdammtnochma 6 Jahre in der Mache und endlich, endlich lässt die einzige europäische Wu-Tang Killabee ihr Opus auf die Menschheit los. Dabei war schon seit jeher die Stoßrichtung des Rekordhalters im “Die-Meisten-Länder-der-Welt-betouren” klar: Den alten, ureigenen Wu- Sound wollte Cilvaringz uns unverbesserlichen Heads bringen. Und das Wu-Tang Universum ist wohl noch eines der wenigen, in der das ewig nach gestern Klingende nicht gleich als Anachronismus abgestraft wird sondern von allen Seiten eigentlich nur vehement eingefordert wird. Kann er das Versprechen also einhalten?
Ein paar Facts: satte 21 Anspielstationen sind auf dem Silberling zur Ewigkeit verdammt worden, die Produzenten- und Gästeliste liest sich wie das Who-is-Who des WU und die Tracks hören auf so klangvolle, dem Head schon alles klarmachende Titel wie “Poison Ring Chamber”, “Wu-Tang Martial Expert” oder “The Weeping Tiger”. Scheint also alles klarzugehen und so kommt es denn auch: Ein Filmsample mit Gordon Liu (“Die 36 Kammern der Shaolin”) führt den Hörer sofort in die mythisch-mysteriös aufgeladene Welt des Wu und stimmt perfekt auf die Reise ein und die nachfolgenden Tracks halten letztendlich das Versprechen größtenteils ein. Die Beatz aus den Maschinen von RZA, 4th Disciple, Tru Master und auch Cilvaringz selber (die meisten Beatz stammen sogar tatsächlich aus den 90ern) klingen so sehr nach 36 Kammern wie lange nicht mehr bei einem Release aus dieser Ecke. Abgehackteste Loops, finstere Steicher, Pianosprengsel, Voicesamples, dicke Drumsets, Flashback into ’93 please. Sehr interssant jedoch, dass dem Wu-Sound im Verlauf des Albums noch eine weitere Nuance hinzugefügt wird: Aufgrund der Aufarbeitung seines muslimischen Glaubens und seinen Wurzeln lässt Tarik Azzourgah(Cilvas bürgerlicher Name) nun auch eine orientalisch-arabische Grundstimmung nach Shaolin rübergleiten, was sich in muslimischen Gebetssprengseln und Gedichten, einer charakteristischen Streicherführung und u.a. auch in den Inhalten manifestiert. Lieder wie die formidablen “Elephant Juice” oder “In the Name of Allah” legen davon Zeugnis ab und die überraschend häufig eingesetzten Sänger verwässern das Ganze nie sondern bereichern diese Komponente punktgenau. So werden Tracks wie “Deaf, Dumb and Blind” gar zu kleinen, potenziellen Hits.
Die bereits angesprochene muslimische Ausrichtung wird aber bisweilen leicht problematisch: Bei “Death to America” wettert Cilvaringz lautstark gegen die amerikanische Außenpolitik nach 9/11, was noch vor ein paar Jahren definitiv eine größere Wucht gehabt hätte als heute, wo es doch bereits etwas ausgelutscht erscheint. Ein Glück jedoch, dass das an einem Punkt des Albums passiert wo die Gesamtatmosphäre einen ersten Höhepunkt erreicht die geradezu filmisch wirkt.
Als Rapper zeigt Cilvaringz hingegen keine allzu großen Blöße ohne jedoch das Rad neu zu erfinden oder gar etwas absolut einzigartiges inne zu haben. Das wird natürlich erst recht deutlich, wenn einer der zahlreich vertretenen Clansmen mit voller Kraft auf die Pauke haut: Den saftigsten Killerpart des Albums liefert wohl eindeutig ein unglaublich polternder Raekwon, der seinen Gastgeber in Grund und Boden stampft welcher selber zugibt, dass er erst nicht den Versuch gewagt hat es mit diesem Monstrum aufzunehmen. Leute wie RZA, Killah Priest und Shabazz the Disciple liefern gewohnt gute Arbeit ab und Masta Killa zieht einmal mehr die Aufmerksamkeit auf sich, nicht in dem auch er seine Stimme lautstark erhebt sondern indem er sich einmal mehr auf das pure, rätselhafte wie in sich ruhende Charisma seiner Stimme verlässt. Dieser Mann braucht öfter mal solche atmosphärischen Beats wie auf “In the Name of Allah”.
Einige Abstriche muss das Album dennoch machen: “Blazing Saddles” mit der Killarmy will aufgrund seines 80er Oldschoolvibes und des Tempos nicht so recht ins Gesamtbild passen, ebenso auch die Michael Jackson Hommage “Forever Michael” die natürlich auch inhaltlich wohl leicht aus dem Rahmen fällt. Zudem sind zahlreiche Skits vorhanden von denen einige doch den Hörfluss stören, vor allem wenn gleich zwei aufeinanderfolgen. Es ist ja toll, dass sich Anrufbeantworterkommentare von solchen Mainstreamschwergewichten wie Pharrel und Ne-Yo auf solch einem Undergroundrelease verirrt haben, viel zu sagen haben sie aber dennoch nicht. Letztendlich stechen manche Tracks dermaßen heraus, dass sie andere wiederum in den Schatten stellen. Tracks wie “Brothers Ain’t Brothers”, “Jewelz” (mit GZA), “Damascus” oder “The Saga” sind allesamt höchst solider, guter Shit wie man ihn kennt und liebt und an sich gibt es nichts an ihnen auszusetzen – außer, dass sie dann doch vergleichsweise den Kürzeren ziehen müssen. In der Albummitte bedeutet dies also einen minimalen Einbruch.
Insgesamt überwiegt jedoch ganz klar der positive Eindruck. Das Album ist musikalisch wie inhaltlich größtenteils ein in sich schlüssiges Werk, fährt einige großartige Geschütze auf ( “Wu-Tang Martial Expert”, “The Weeping Tiger”, “In the Name of Allah”, “Elephant Juice”, “Deaf Dumb and Blind”) und hält auch zwischen diesen den musikalischen, roten Faden aufrecht. Besseres hätte Cilvaringz für sein Debüt kaum noch auf die Beine stellen können und Fans des Wu- Sounds werden ihm für seinen Ansatz sicherlich dankbar sein. Darauf ein “Allahu akbar” eines Nichtmoslems.
PS: Auch wenn das nichts primär mit der musikalischen Komponente zu tun hat, aber das Album als Produkt erhält nochmals eine ungeheure Aufwertung durch eine, in der sog. Deluxe Edition beigelegten DVD. Diese ist von liebevoller, detailreicher Aufmachung, enthält einen superben Beatteppich und locker über ein- zwei Stunden(!!!) Bild- und Videomaterial, die interessante Einblicke geben und auch schwerst unterhalten. Dazu eine DVD-Rom Partition die nochmal massig Informationen bereithält: Neben der längsten Danksagungsliste die ich je gesehen habe gibt es auch alle Lyrics inkl. Notizen zu den Gedanken von Ringz und der Entstehung der jeweiligen Tracks. Hier wurde also ein ganz dickes Paket seitens des Künstlers geschnürt, weswegen bei Interesse natürlich der Kauf dringendst empfohlen wird!
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